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Als ich das erste Mal gesungen habe, bin ich fast gestorben – Spring King im Interview

Als Promi-DJ Zane Lowe am 1. Juli 2015 seinen Dienst als Moderator für Apples neues Streaming-Radio Beats 1 antritt, macht er vier Briten zum Auftakt der Sendung sehr glücklich: Als allerersten Song, den das Millionenpublikum zu hören bekommt, spielt Lowe den Song „City“ von Spring King und beschert dem ungesignten Postpunk-Quartett aus Manchester damit schlagartig internationale Aufmerksamkeit und einen Status als Indie-Darlings. Mit “Tell Me If You Like To” erscheint nun, ein Jahr später, das Debütalbum der bereits 2012 als Soloprojekt des Produzenten Tarek Musa gestarteten Band. Wir sprachen mit dem Frontmann Tarek über Hype, DIY und singende Schlagzeuger.

MusikBlog: Wer sich euren Werdegang als Band anschaut, bekommt recht schnell den Eindruck: Es läuft alles auf den Moment zu, in dem Zane Lowe euren Song „City“ spielt. Fühlt ihr euch manchmal auf diesen Hype-Moment reduziert?

Tarek Musa: Die Zane-Lowe-Sache war eine riesige Hilfe und hat uns total überrascht. Es gibt so viel großartige Musik da draußen; dass er ausgerechnet „City“ gespielt hat, war schon überwältigend. Aber in dem Jahr hatten wir auch unsere erste große Supporttour mit Courtney Barnett und haben viele Festivalauftritte gespielt. Es ist also nicht so, als hätten wir zu Hause rumgesessen und plötzlich war der Hype da; wir waren ohnehin aktiv und haben unser Ding gemacht. Aber klar, Zane Lowe war schon die Kirsche auf der Sahne. Außerdem kam das genau zur rechten Zeit: Wir waren finanziell und mit unserer Energie ziemlich am Ende. Es hat Spaß gemacht, in dieser Band zu spielen und zu touren, aber wir waren pleite und hatten das Gefühl, es geht nicht mehr weiter. Und dann kam Zane Lowe und hat diese Probleme erst einmal weggefegt. Das war eine echte Inspiration weiterzumachen – und natürlich haben uns dadurch viel mehr Leute kennengelernt.

MusikBlog: Würde es ohne Zane Lowe denn jetzt ein Album geben?

Tarek Musa: Wir wollten ohnehin ein Album machen, aber natürlich wurde es dadurch etwas einfacher. Direkt nach der Sache mit Zane Lowe haben wir mit der Planung angefangen, aber es hat noch bis September gedauert, bis alle mal Urlaub nehmen und wir loslegen konnten. Eigentlich wollten wir bei mir zu Hause aufnehmen, aber dann ist mein Bruder mit seinem kleinen Kind wieder eingezogen und wir durften nicht mehr so viel Lärm machen. Aber wir hatten Glück: Wir hatten uns für ein Finanzierungsprogramm einer Musikstiftung beworben und haben das dann auch bekommen. Wir konnten also in einem vernünftigen Studio aufnehmen und haben das in drei Wochen durchgezogen. Wir haben das Album dadurch auch komplett selbst finanziert.

MusikBlog: Hat das bei den Aufnahmen Druck rausgenommen, weil ihr nicht irgendwelchen Erwartungen gerecht werden musstet?

Tarek Musa: Eine richtige Drucksituation gab es eigentlich nicht, weil wir zu der Zeit niemand hatten, dem wir das Album geben wollten und dem wir irgendwas beweisen mussten. Das Majorlabel Island Records hat uns erst unter Vertrag genommen als die Platte fertig war. Die kennen das normalerweise andersherum: Erst unterschreibt eine Band einen Vertrag, dann nimmt sie ein ziemlich teures Album auf. Das war bei uns anders: “Tell me If You Like To” hat nur knapp 3.000 Pfund gekostet. Auch vor den Aufnahmen waren schon Labels interessiert, aber wir haben uns gedacht: Wenn ihr wirklich interessiert seid, braucht ihr das Album nicht im Vorfeld zu hören, sondern könnt warten, bis wir fertig sind.

MusikBlog: Eine Absicherung gegen den Ausverkauf sozusagen?

Tarek Musa: Wir wollten uns nicht unter Wert verkaufen; wir hatten da ja auch schon drei Jahre lang EPs und Singles veröffentlicht, sind mit großen Bands getourt. Es gab also Beweise genug, dass wir das schon länger machen und wissen, was wir tun. Und es hat funktioniert. Nicht einmal unser Manager hat das Album gehört, bis es fertig abgemischt war. Ich habe auch niemandem außerhalb der Band erlaubt, bei den Aufnahmen dabei zu sein. Island hatte damit kein Problem und sie haben uns auf purer Vertrauensbasis unter Vertrag genommen. Die waren dann aber auch sehr erleichtert, als sie das fertige Album gehört haben und es ihnen gefallen hat.

MusikBlog: Steckt hinter diesem Hang zum Selbermachen ein dezidierter DIY-Gedanke oder ist das eher aus der Not heraus geboren?

Tarek Musa: DIY war schon immer Teil unserer DNA und das wird auch so bleiben. Es fühlt sich einfach richtig an, so viel wie möglich selbst in die Hand zu nehmen. Die Musik haben wir immer schon eigenständig aufgenommen und natürlich ist es da praktisch, dass ich Audiotechnik und Produktion studiert habe. Wir mussten also nie jemand von außen dazu holen – dafür hätten wir auch gar kein Geld, also sind die Aufnahmen immer bei mir im Haus entstanden. Außerdem arbeiten wir gern mit Bekannten und Freunden zusammen: Mein Bruder hat alle unsere Logos designt, mein Cousin macht alle Fotos, Freunde von uns drehen unsere Videos. Uns ist es sehr wichtig, alles so weit wie möglich als DIY-Familienunternehmen zu machen. Ich habe immer das Gefühl, es gibt so viele großartige unbekannte Talente und denen stehen ein paar große Namen gegenüber, die eigentlich gar nicht so viel Tolles gemacht haben.

MusikBlog: Gehst du als Produzent an die Musik von Spring King anders heran, als an die Musik deiner Kunden?

Tarek Musa: Definitiv. Die ganze Idee zu Spring King ist aus der Frustration geboren, die die Arbeit im Tonstudio mit sich bringt, wenn man Rockmusik produziert: Ich hatte einfach keine Lust mehr, stunden- oder sogar wochenlang am richtigen Drumsound zu feilen. Die Qualität einer Aufnahme ist für mich gar nicht so wichtig, es kommt am Ende nur darauf an, ob der Song gut ist. Ich wollte mich deshalb selbst herausfordern und Songs so schnell wie möglich fertig schreiben. Das erste Jahr habe ich jeden Tag einen Song geschrieben, aufgenommen, abgemischt und in einen Ordner gepackt – fertig. Die ersten 50 Spring-King-Songs sind so entstanden und sie klingen entsprechend roh. Ich habe mich vorher nie so sehr als Songwriter gesehen, aber am Ende dieses Jahres wusste ich, wie man schnell einen Song schreibt. Deshalb mag ich auch Popmusik so gerne: weil sie so simpel und trotzdem energiegeladen sein kann.

MusikBlog: Hat sich diese Herangehensweise ans Songwriting sehr verändert, seit Spring King vom Soloprojekt zu einer richtigen Band herangewachsen ist?

Tarek Musa: Im Moment schreibe ich noch fast alle Songs; nur den Song “Heaven” auf “Tell Me If You Like To” hat unser Gitarrist Pete geschrieben. Das liegt vor allem daran, dass wir das Album aufgenommen haben, als die meisten Songs eben noch von mir kamen und wir auch keine Zeit hatten, neue Songs zusammen zu schreiben. Das werden wir aber definitiv ändern. Jetzt haben wir keine Entschuldigung mehr, Songs nicht länger als Team zu schreiben.

MusikBlog: Bei euren Liveauftritten spielst du Schlagzeug und singst gleichzeitig. Findet euer Publikum das manchmal komisch?

Tarek Musa: In kleinen Clubs ohne Podest oder Bühne sind Leute manchmal ein wenig frustriert, weil sie den Sänger nicht sehen können. Auf größeren Bühnen ist das nicht so sehr ein Problem. Generell scheinen die Leute bei unseren Konzerten eine ganz gute Zeit zu haben; jedenfalls hat sich bisher noch niemand bei mir beschwert und Crowdsurfer und Stagediver sind ja auch ein ganz guter Indikator. Aber natürlich ist unsere Besetzung schon etwas besonders. Das ist aber auch aus der Not heraus geboren, denn unser Schlagzeuger ist aus der Band ausgestiegen und wir hatten einen Auftritt in acht Tagen. Also bin ich von der Gitarre ans Schlagzeug gewechselt und da bin ich dann auch geblieben; auf den Aufnahmen spiele ich ja sowieso Schlagzeug. Das ist auch ganz gut für meine Fitness: Als ich das erste Mal beim Schlagzeugspielen gesungen habe, bin ich fast gestorben. Mittlerweile halte ich auch ein einstündiges energiegeladenes Set durch.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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