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Die Heiterkeit – Pop und Tod I+II – Berauschende Dysphorie

Langsam, sehr langsam kriecht „Die Kälte“ zu Beginn aus der neuen Platte von Die Heiterkeit. „Da wo ich wohne ist es immer kalt“ singt Stella Sommer mit der Geschwindigkeit eines treibenden Eisbergs.

Schwer, schön und erdrückend und bezeichnend für die im Titel angesagten Themen präsentiert sich „Pop & Tod I+II“ bereits auf den ersten vier Minuten und lässt wenig Zweifel daran, dass die Hamburger ein dunkel leuchtender Gegenentwurf zum Zeitgeist sind, ihre Worte eher den Platz auf der Goldwaage finden als in einer Twitter Nachricht.

Mit sich und vor allen Dingen mit der Allgemeinheit befindet sich Die Heiterkeit weiter „Im Zwiespalt“. Logisch, dass dieser Albumbrocken zwei Teile und zwanzig Songs braucht, um jeden, der sich die gute Stunde Zeit dafür nehmen möchte, detailliert zu erläutern, warum ihr „Haus Außerhalb“ des Zugriffs mainstreamiger Einflüsse gebaut wurde.

Stella Sommer, Mastermind und einzig verbliebene Konstante der Band seit ihrer Ersterwähnung im Jahr 2010, zelebriert als ein „Genie Bei Der Arbeit“ mit ekstatischer Lethargie jene Anliegen, die bei ihr „Schlechte Vibes Im Universum“ auslösen. Zwischen Resignation und Trotz, Haltung und Verachtung touchiert sie gängige Anker des sozialen Gefüges, um konsequent und emotional autark die Inselbegabung dem universellen Gelingen vorzuziehen – „Es gibt Dinge, die man lernt und alles andere lässt man bleiben“ textet dazu „Panama City“.

Zusammen mit dem aktuellen Line-Up, bestehend aus Philipp Wulf (Messer), Sonja Deffner (Jason & Theodor) und Hanitra Wagner (Oracles) entstand zusammen mit Starproduzent Moses Schneider (er bestäubte schon den Vorgänger „Monterey“ mit Glitzer) der musikalisch umfassendsten Vortrag der Bandgeschichte.

Der Teil der Stücke, der sich im weitesten Sinn mit Abschied befasst, wird von Klavier und kühl-distanzierten Synthies getragen. Die erhabene Stimme der Sängerin und Chöre, die wahlweise als glockenklare Mädchenausgabe oder als brummelnde Männervariante im Alpenverein-Format erklingen, bilden dazu den angemessen feierlichen Rahmen.

Der „Pop“-Part hält viel Harmonie und reichlich feine Hooks dagegen. Ob das nörgelnde Triola- Keyboard in „Halt Mich Zurück“ oder der sich als Album-Highlight bewerbende Shoegazer „Komm Mich Besuchen“ – einmal im Ohr, bekommt man die eingängigen Songs ganz schwer wieder heraus.

Mit „Pop & Tod I + II“ haben Die Heiterkeit „Ein Gutes Buch“ geschrieben, welches man nicht mehr aus den Händen legen möchte. Nach dem Lesen weiß man: es ist okay wenn „Das Ende Der Nacht“ einst „The End“ ankündigen wird.

„Sind wir jetzt alle zufrieden?“ überlegt Stella Sommer sarkastisch am Ende der Platte. Die Gegenfrage: „Haben Die Kids Nicht Einfach Geliebt?“. Die Erwachsenen werden das auch tun, denn mit diesem berauschend dysphorischen Machtwort ist die Band ganz vorn in der deutschsprachigen Indie-Landschaft angekommen.

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