Sehr produktiv erweisen sich die Damen von Die Heiterkeit, die der relativ flott nach ihrem Debut „Herz aus Gold“ erschienenen „Daddy´s Girl“ EP im letzten Herbst bereits einen neuen Longplayer folgen lassen. Dabei hatte schon ihr Erstling kräftig polarisiert, für nicht wenige waren sie bestenfalls eine mäßig talentierte Schülerband, während die Presse die neue coole Pop Hoffnung feierte. Fest steht: wer dem legendären Hamburger Indie Label ZickZack die Anfrage nach einer Demo- Aufnahme mit „Wir haben eine Seven-Inch, können Sie kaufen“ beantwortet, der hat sich entweder eine sehr clevere Marketing Idee ausgedacht oder es mangelt auf keinen Fall am nötigen Selbstbewusstsein.

Monterey heißt das neue Werk, was auf spanisch Berg des Königs bedeutet, eher aber das amerikanische Kaff an der Küste Kaliforniens meint, in welchem Frank Zappa einst ein Haus besaß und wo 1967 das Monterey Pop Festival stattfand. Auf dem wiederum die Endsiebziger Rockmusik ein schicksalhaftes Treffen mit einem gewissen Herrn Moog und seinen Synthesizern hatte. Was nun wiederum als Verweis auf den Sound der Platte herhalten könnte, der Einsatz dieses Instruments schiebt die Aufnahmen in Richtung Wave in gebremster Ausführung.

Oder anders: Die neuen Stücke klingen, als würde man die normalerweise auf einem Plattenspieler mit 45 Umdrehungen laufende „Herz aus Gold“ auf 33 abspielen. Als würde der Hipster Begriff „Entschleunigung“ vertont. Am deutlichsten bei „Die ganzen müden Pferde“, in denen man den Vierbeinern den erlösenden Gnadenschuss wünscht. „Das was früher mal war, kommt wieder. Langsam zwar, doch es kommt wieder…Zurück in unserer Factory, Factory jetzt haben wir uns wieder…wir bringen neue Lieder“ – der Opener bahnt den Weg, die Fabrik der Heiterkeit kennt keine Rezession. Die Musik entfernt sich vom fluffig-spröden Kuschel Indie des Vorgängers und nähert sich Bands, die beim Label Factory Records ihre Sternstunden erlebten.

Neu Schlagzeugerin Anna-Leena Lutz (vorher u.a. bei Half Girl) trommelt unaufgeregt ihren Part, Rabea Erradis tiefer gelegter Bass brummt gern in Frequenzen, an die sich Tocotonic auf ihrem letzten Album beim Abmischen nicht heran trauten (obwohl dort wie hier Moses Schneider an den Reglern saß). An Stella Sommers hypersonorer Stimme, die Vokale so unnachahmlich in die Länge ziehen kann, möchte man sich nicht satt hören, die Texte sind manchmal so subtil, dass sie sich erst bei mehrmaligem Hören ganz erschließen. Sie führen glänzend das Erbe der Lassie Singers fort, sezieren Befindlichkeiten und entwickeln doch eine ganz eigene Sprache. Ob Jungen mit goldenen Haaren, Cary Grant, Kapitäne oder charmant abgefeuerte Hass-Tiraden („Deine Partys sind so furchtbar, es ist nicht zu fassen“) –  alles klingt nach Ferne, nach Sehnsucht, nach Verlieren, nach Finden und das alles in Zeitlupe, weshalb man am Ende der Platte sogar das impressionistisch verkitschte Pferde Cover versteht.

Auch dieses Album wird spalten, das Feuilleton wird das Album feiern, andere werden froh sein, nicht einzuschlafen und die Band wie üblich „blasiert“, „entrückt“ und „in ihren musikalischen Mitteln begrenzt“ nennen. Egal, wer solche Platten macht, kann sich das locker leisten, denn wie heißt es so schön zum Schluss: „Mit Pauken und Trompeten – Die Heiterkeit ist hier gewesen“.

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