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Mick Harvey – Delirium Tremens

Riesig ist das musikalische Vermächtnis, welches Serge Gainsbourg hinterlassen hat. Der Chansonnier galt schließlich nicht umsonst als einer der einflussreichsten französischen Songwriter seiner Zeit.

Zahlreiche Cover-Versionen von Bewunderern seiner Arbeit sind entstanden. Placebo, Carla Bruni oder The Kills lieferten Interpretationen seiner Songs ab, aber einer befasste sich besonders intensiv mit dem Schaffen des Enfant Terrible: Mick Harvey.

Der ehemalige Musikdirektor von Nick Caves Bad Seeds, an den letzten Platten von PJ Harvey nicht unwesentlich beteiligt und in jüngerer Vergangenheit als Teil von The Ministry Of Wolves in Erscheinung getreten, hat bereits zwei komplette Alben mit Stücken aus dem Gainsbourg-Erbe veröffentlicht.

Nachdem das berauschende 1995èr „Intoxicated Man“ und das zwei Jahre später erschienene „Pink Elephants“ 2014 noch einmal als Doppel-Album veröffentlicht wurden, griff Mick Harvey diesen Faden wieder auf und spielte eine dritte Runde ein. Die besteht aus den Stücken, mit deren Übersetzung sich der Multiinstrumentalist zunächst am Schwersten tat, was sich aber im Verlauf der Arbeit als unbegründet herausstellte.

Eröffnet wird „Delirium Tremens“, ein auch unter Alkoholentzug bekannter Zustand, dann zitterig und lärmig wie das Schädelinnere von „The Man With The Cabbage Head“, im Original „L’Homme à tête de chou“, dem Titelsong des 1976èr Albums des künstlerischen Provokateurs und Womanizers.

Swingend geht es mit „Deadly Tedium“ weiter, hier folgt der Australier Harvey in etwa dem, was sein Kollege aus den frühen Jahren der Bad Seeds, Barry Adamson, seit Mitte der Neunziger als cool arrangierten Gangster-Jazz präsentiert, um im Anschluss „Coffee Colour“ so quirlig überdreht klingen zu lassen wie das Leben in den Straßen von Paris.

„The Convict`s Song“ begibt sich auf die glühenden Blues Pfade von Crime And The City Solution, Landsleute, denen Mick Harvey in deren Berliner Zeit angehörte. Insgesamt überwiegen jedoch bewährte Klänge, etwa im geschmeidigen „I Envisage“, dem verspielten “More And More, Less And Less” oder dem wunderbar melancholischen, von Xanthe Waite gesungenen, „A Day Like Any Other“.

Von dezenten Streichern über poppig-dominante Gitarren bis zum träumerischen Pianothema: viel vom Sound-Mix der die Teile 1 & 2 der Trilogie kennzeichnete, hat der Ausnahmemusiker während der Aufnahmen in Melbourne und Berlin fein nuanciert eingefangen. Dabei wird er kongenial von Mitgliedern seiner Live-Band unterstützt, sogar seine Partnerin Katy Beale ist dabei und steuert zu „The Decadance“ jenen Part bei, den in der Vorlage Jane Birkin sang.

Er scheut sich auch nicht vor streitbaren Themen. „SS Cèst Bon“ von „Rock Around The Bunker“, einer der kontroversesten Arbeiten des im besetzten Frankreich aufgewachsenen Juden Gainsborg, fällt entsprechend unruhig und bedrohlich aus.

Für Sammler von allem was noch immer aus dem Birthday Party Dunstkreis hervorzüngelt, ist „Delirium Tremens“ natürlich ein Muss. Mit etwas Wehmut vermisst man jedoch jenen lasziven Charme, den Anita Lane  noch über die Vorgänger hauchte.

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