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Auf den Punkt, klingt gut, sieht gut aus – Otherkin im Interview

Mit ihrer EP „The New Vice“ bieten sich Otherkin aus Dublin als legitime Nachfolger von Bands wie The Hives und The Strokes an: Ihr energetischer Garagenrock ist schnell, roh und unverschämt eingängig. Wir sprachen mit Sänger und Gitarrist Luke Reilly über das Dasein als Liveband, seltsame Subkulturen und die Chancen für ein neues Rock-Revival.

Musikblog: Luke, eure EP „The New Vice“ ist ja seit letztem Freitag draußen. Wie sind die Reaktionen darauf bisher?

Luke Reilly: Ziemlich gut! Einige Songs haben es in einige europäische Charts geschafft, vor allem in Holland wird unsere Single „I Was Born“ auch im Radio gespielt, was ziemlich toll ist. In Deutschland haben einige Blogs darüber berichtet. Wir haben erst einen Gig in Deutschland gespielt, in Berlin. Deshalb sind wir gespannt, wie sich unsere Musik da entwickelt. Wir wollen auf jeden Fall bald mehr Konzerte dort spielen.

Musikblog: Ihr spielt ja diese Woche noch beim Reeperbahnfestival

Luke Reilly: Ja genau, am Freitag. Wir haben viel Gutes über das Festival von befreundeten Bands gehört. Wir spielen im Molotow und unsere irischen Freunde sind alle sehr begeistert von der Location. Wir sind sehr gespannt!

Musikblog: Woher kam der Titel für eure EP?

Luke Reilly: Wenn du sechzehn, siebzehn Jahre alt bist, lernst du immer wieder Bands kennen, die dich am Kragen packen, durchschütteln und einfach nur begeistern. Rock’n’Roll hat ja früher immer diesen Ruf gehabt, ein schlechter Einfluss zu sein – so wie Drogen, Alkohol, Nikotin. Als wir mit Otherkin angefangen haben, dachten wir, wie großartig es wäre, für jemanden genau diese Art Band zu sein: Wie eine neue Droge, die süchtig macht und dich nicht mehr loslässt – „The New Vice“ eben. Eine Band, zu deren Liveshows du gehst und nicht weißt, was passieren wird.

Musikblog: Würdet ihr euch als Liveband bezeichnen?

Luke Reilly: Auf jeden Fall. So sind wir auch selber aufgewachsen: Wir sind zu Gigs gegangen und haben Rockmusik in kleinen, schwitzigen Clubs gehört. Natürlich schlägt sich das auch auf unsere eigene Musik nieder. Für mich fühlt es sich immer am besten an, wenn wir Songs live spielen und sich die Energie der Songs auf das Publikum überträgt und alle völlig ausrasten. Ich glaube, wenn jemand unsere Songs hört und nicht versteht, worum es geht, wird sich das ändern, wenn er zu einem Gig von uns kommt.

Musikblog: Habt ihr die EP auch live aufgenommen?

Luke Reilly: Ja. Freunde von uns haben ein Studio in Dublin mit einem großen Raum, in den wir alle vier reinpassen. Da haben wir unsere Songs ein paar Mal gespielt und dann die Vocals darüber aufgenommen. Wir schreiben unsere Songs genauso: Alle zusammen in einem Raum. Diese Energie wollten wir bei den Aufnahmen einfangen. Wir haben ein paar Overdubs für die Gitarren gemacht, aber uns war wichtig, dass es im Kern wir vier live im selben Raum sind.

Musikblog: Wer schreibt denn bei euch vor allem die Songs?

Luke Reilly: Das verteilt sich ziemlich gleichmäßig, wir sind da sehr demokratisch. Meist entstehen die Songs bei den Proben. Wir fragen rum, wer eine neue Idee hatte, seit wir uns zuletzt getroffen haben. Meist kommt dann jemand mit einem Riff oder einer Melodie und von da aus ergibt sich der Rest. Meine Lieblingssongs von uns sind sehr spontan entstanden: Aus Riffs, die jemandem kurz vor der Probe eingefallen sind. Ich schreibe dann am Ende die Lyrics dazu.

Musikblog: Worüber schreibst du dann?

Luke Reilly: Sehr unterschiedlich. Auf unserer ersten EP gab es einen Song namens „Ay Ay“. Da hatte ich einen Artikel über die Band alt-J gelesen, die ihr zweites Album fertig hatten, aber ihr Label wollte unbedingt noch eine Single, für die sie dann nochmal ins Studio gegangen sind. Unser Song handelte dann davon, dass du ein Projekt fast beendet hast und dann kommt jemand und sagt dir, dass du es kommerzieller machen musst.

Das ist ein Aspekt am Musikmachen, den ich seltsam finde. Ich verstehe, warum das so ist, aber ich finde es kurios. Ein anderer Song namens „Love’s A Liability“ ist eine sehr düstere, sarkastische Auseinandersetzung mit Beziehungen. Auf unserer neuen EP sind Songs über Jugend, übers Aufwachsen, über Dinge, die Teil deines Lebens sind, wenn du ein gewisses Alter hast. Viele Leute haben mir gesagt, dass die Texte auf der EP ziemlich vage gehalten sind. Das wollte ich auch genau so haben; auf unserem Album, das wir zur Zeit aufnehmen, will ich aber gern ein bisschen konkreter werden.

Musikblog: Werdet ihr komplett neue Songs auf das Album packen oder werden darauf auch Songs von den EPs landen?

Luke Reilly: Wir haben jetzt knapp 35 neue Songs, die für das Album in Frage kämen, aber wir wollen natürlich die besten darauf packen, die wir haben. Ein paar Songs von den EPs sind da durchaus in de Auswahl, aber natürlich wollen wir nicht so viel Material doppelt veröffentlichen. Wahrscheinlich wird es ein paar Überschneidungen geben, aber nicht allzu viele.

Musikblog: Nach „The 201“ ist „The New Vice“ ja schon eure zweite EP. Warum nicht sofort ein Album?

Luke Reilly: Vor allem als Appetithappen. Wenn wir das Album rausbringen, wollen wir, dass da auch Leute sind, die es unbedingt hören wollen.

Musikblog: Ihr stammt ja alle vier aus Dublin, habt euch aber in Toronto gegründet. Wie kam es dazu?

Luke Reilly: Bevor es die Band überhaupt gab, haben unser Bassist Dave, unser Gitarrist Connor und ich einen Sommer in Toronto verbracht und dort gearbeitet. Wir haben uns da immer Gitarren von unseren Nachbarn geliehen und Musik gemacht. Aber erst als wir wieder in Dublin waren, hat sich daraus wirklich eine feste Band ergeben. Wir haben per Online-Annonce einen Drummer gesucht und gefunden und konnten dann Ende 2012 unseren ersten Gig spielen. Da ging das alles erst los.

Musikblog: Ist Dublin ein guter Ort für junge Bands?

Luke Reilly: Auf jeden Fall! Es gibt so viele junge Bands, so viele verschiedene Stile und generell so viel unglaubliche Musik, die hier entsteht. Es gibt viele Möglichkeiten aufzutreten und es gibt einen tollen Zusammenhalt zwischen Bands. Im Vergleich zu London zieht Dublin eigentlich nur den Kürzeren, was die Nähe zur internationalen Musikindustrie angeht. Es ist deshalb ein bisschen schwerer, aufzufallen. Aber generell gibt es in Dublin mindestens so viele gute Bands wie überall sonst. Es ist ein großartiger Ort, um loszulegen.

Musikblog: Otherkin ist ja auch ein Begriff für eine Subkultur von Menschen, die sich selbst als Tiere oder andere Nicht-Menschen identifizieren. Wie kamt ihr denn auf diesen Bandnamen?

Luke Reilly: Zuerst einmal ist Bandnamensuche das Schwerste überhaupt! Einen Namen zu finden, der vier Leuten gefällt, ist beinahe unmöglich und hat in unserem Fall mehrere Monate gedauert. Unser Gitarrist Connor hat den Namen Otherkin irgendwann vorgeschlagen und er passte einfach: Kurz, auf den Punkt, klingt gut, sieht gut aus.

Wir wussten erst gar nicht, dass er auch noch eine andere Bedeutung hat. Dann haben wir aber Nachrichten von Leuten aus der Otherkin-Community bekommen. Das hat uns sehr verwirrt. Leute haben uns geschrieben: „Ich mag die Musik, aber was hat das mit Otherkin zu tun?“ Manchmal haben wir darauf geantwortet, dass unser Drummer zur Hälfte von einer Ziege abstammt. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich diese Subkultur so ganz verstehe, aber vor allem online scheint das eine ziemlich große Sache zu sein. Wir kriegen immer noch gelegentlich Nachrichten – nicht mehr so oft wie früher, aber immer noch recht regelmäßig.

Musikblog: Habt ihr alle noch Jobs neben der Musik?

Luke Reilly: Im Moment haben wir alle noch Teilzeitjobs, um unser Leben finanzieren zu können und trotzdem Zeit für die Musik zu haben. Ich arbeite an einer Rezeption, manche von uns spielen in Coverbands. Das Musikbusiness ist ein kompliziertes Geschäft, wenn man davon leben will.

Wir sitzen da gerade auch zwischen den Stühlen: Wir haben noch kein Album draußen, wir gehen nicht wochenlang auf Tour, sondern vor allem an Wochenenden. Da wollen wir aber auf jeden Fall hinkommen. In sechs Monaten wäre ich gern an dem Punkt, wo die Musik uns genug einbringt, dass wir damit auskommen. Aber im Moment müssen wir noch schauen, wie wir über die Runden kommen. Aber so ist das heute nun einmal.

Musikblog: Ihr beruft euch ja sehr stark auf Bands wie The Hives und The Strokes. Glaubst du, dass es noch einmal ein Garagenrock-Revival geben könnte, wie es diese Bands mit losgetreten haben?

Luke Reilly: Ich habe das Gefühl, dass es vor allem in England zur Zeit viele Bands gibt, die unserem Stil sehr ähneln und die gerade Fahrt aufnehmen. Ich glaube nicht, dass es da gerade eine bewusste Bewegung gibt.

Aber Garagenrock und Grunge erlebt schon ein kleines Revival mit Bands wie Pretty Vicious, die langsam bekannter werden und gute Gigs bekommen. Viele Leute entdecken Gitarrenmusik wieder, vielleicht auch als Gegenbewegung zu den Top 40, in denen Gitarren keine große Rolle spielen. Es gab auch länger keine wirklich große, neue Gitarrenrockband oder eine entsprechende Szene oder Subkultur. Es ist natürlich toll für uns, wenn da jetzt wieder mehr passieren sollte – und wir hoffen natürlich, dass wir da ganz vorne mitlaufen können.

Musikblog: Vielen Dank für das Interview.

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