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Dieses Album kann viel bewegen – Moddi im Interview

Moddi ist ein Musiker, der gerne in die Tiefe geht. Mit seinem neuen Coveralbum “Unsongs” wagt sich der norwegische Singer/Songwriter nun in Gefilde, in denen die Urheber der Originale einst mit Zensur und Unterdrückung zu kämpfen hatten. Moddi hat 12 Songs aus 12 Ländern neu vertont, darunter aufwühlende Lieder von Kate Bush, Billie Holiday und Pussy Riot. Wir trafen den Sänger in Berlin zum Interview und sprachen über israelische Offiziere, mexikanische Drogendealer und warum es wichtig ist, auf der Bühne auch mal den Erzähler zu mimen.

MusikBlog: Moddi, auf deinem neuen Album “Unsongs” beschäftigst du dich mit 12 Songs aus zwölf Ländern. Jedes einzelne dieser Lieder landete aus den verschiedensten Gründen irgendwann auf dem Index. Gab es einen bestimmten Moment in der Vergangenheit, in dem du dich für die Produktion von “Unsongs” inspiriert fühltest?

Moddi: Den gab es in der Tat. Ich sollte im Januar 2014 ein Konzert in Tel Aviv spielen. Da ich allerdings die israelische Besatzung Palästinas nicht gut heiße, entschied ich mich dafür, das Konzert unter dem Protest-Banner abzusagen. Kurz danach nahm die, wie ich aus Norwegen stammende Sängerin Birgitte Grimstead Kontakt zu mir auf und machte mich auf den Song “Eli Geva” aufmerksam.

In diesem Lied geht es um einen israelischen Offizier, der sich 1982 weigerte, seine Truppen nach Beirut zu führen. Der Song schlug sehr hohe Wellen. Die Friedensaktivisten feierten ihn. Politiker und Kriegsfürsprecher hingegen hoben warnend den Zeigefinger. Ich schrieb daraufhin meine eigene Version von “Eli Geva” und stellte bei meinen Konzerten fest, dass die Menschen sehr emotional auf das Lied reagierten. Das war der Anstoß für “Unsongs”. Danach machte ich mich auf die Suche nach weiteren unterdrückten Songs, die es verdienten, wieder gehört zu werden.

MusikBlog: Ich habe dich bisher immer als sehr intensiven Künstler wahrgenommen. Daher kann ich mir vorstellen, dass du nicht gleich die 12 erstbesten Songs genommen hast, die du gefunden hast. Wie lange hat die Auslese gedauert?

Moddi: Sehr lange. (lacht) Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube, dass ich mich mit ungefähr 400 möglichen Songs beschäftigt habe. Das sind aber natürlich noch längst nicht alle. Es gibt tausende Lieder auf der ganzen Welt, die irgendwann einmal verboten wurden. Und das aus den verschiedensten Gründen. Wenn ich die Zeit und die Möglichkeiten hätte, würde ich zwölf weitere “Unsongs”-Alben aufnehmen. Aber das geht natürlich nicht. Ich denke aber auch, dass dieses eine Album schon viel bewegen kann.

MusikBlog: Was genau soll das Album bewegen?

Moddi: Für mich war es wichtig, ein Album aufzunehmen, dass den Hörer dazu verleitet, nachzudenken. Viele Leute sagen, dass sich Musiker aus der Politik heraushalten sollen. Aber das ist großer Quatsch. So sollen Bands und Künstler nur manipuliert und kleingehalten werden. Musik hat so viel Kraft und Energie. Sie bringt die Menschen zusammen und lässt sie aufmerksam zuhören. Warum sollten Musiker dann nicht die Chance ergreifen, mit ihrer Musik auf Dinge hinzuweisen, die falsch laufen?

Wichtige politische Ansichten müssen ihren Weg zum Publikum finden. Und die Bühne ist dafür die ideale Plattform. Natürlich wird es auch immer Botschaften geben, mit denen viele Menschen nicht konform gehen. Ich habe beispielsweise ein Lied auf dem Album, in dem es um die Aufwertung von mexikanischen Drogendealern geht. Das befürworte ich natürlich nicht. Aber die Meinungen anderer einfach nur in den Keller zu sperren und zu unterdrücken, kann in meinen Augen nicht die Lösung sein.

MusikBlog: Gibt es einen Song auf dem neuen Album, der dir besonders am Herzen liegt?

Moddi: Nein. Das wichtigste sind ja nicht die Songs selbst, sondern die Geschichten, die sie enthalten. Und die sind allesamt hörenswert; egal, ob man sich der Meinung der Urheber nun anschließt oder nicht.

MusikBlog: Hast du dieser Tage das Gefühl, dass sich zu viele Bands und Künstler hinter Gute-Laune-Songs verstecken?

Moddi: Nein, eigentlich nicht. Es ist viel wichtiger, dass die Menschen aufmerksamer zuhören. Wie gesagt: Es gibt weltweit tausende Songs auf dem Index. Und es gibt mindestens genauso viele, die glücklicherweise noch nicht erfasst und verbannt wurden. Jeder Musiker hat das Recht, über die Dinge zu schreiben, die ihn bewegen. Eine tolle Zeit zu haben gehört da genauso dazu wie über irgendwelche Missstände aufmerksam zu machen.

MusikBlog: Wie stellst du dir die Live-Realisation vor?

Moddi: Wer mich kennt, der weiß, dass ich zwischen den Songs generell immer viel erzähle. Ich würde sogar behaupten, dass die Musik während meiner Konzerte generell eher im Hintergrund steht. (lacht) Mir ist es einfach ein Bedürfnis, mit den Leuten zu kommunizieren. Das funktioniert natürlich auch wunderbar über die Musik. Aber im Erzähl-Modus geht es dann doch meistens noch etwas tiefer. Die Leute werden auf meiner nächsten Tour also viel zu hören bekommen. (lacht)

Neben der Musik und meinen einführenden Ansagen haben die Leute aber auch noch die Möglichkeit, die Geschichte jedes einzelnen Songs über meinen YouTube-Channel näher kennenzulernen. Dort stelle ich eine Dokumentation zur Albumentstehung zur Verfügung, die viel Licht ins Dunkel bringt. Gerade in Zeiten wie diesen ist es meiner Meinung nach wichtig, für Aufklärung zu sorgen und Hintergründe zu Tage zu fördern.

MusikBlog: Was macht dir Hoffnung “in Zeiten wie diesen”?

Moddi: Das ist nicht so einfach zu beantworten. Ich kann nur auf mich schauen. Ich bin ein kleines Rädchen im großen Ganzen. Und ich versuche, meinen Teil dazu beizutragen, dass Leute über gewisse Dinge informiert werden. Vielleicht inspiriere ich andere Künstler, einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Das wäre natürlich großartig. Aber am Ende des Tages sehe ich nur mein Gesicht im Spiegel, verstehst du?

MusikBlog: Verstehe ich.

Moddi: Gut. (lacht)

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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