Es gab Zeiten, da entstand der Eindruck, man müsse lediglich von der Insel kommen, am besten aus einer ihrer popmusik-historisch wertvollen Citys, zerzaustes Haar tragen und irgendwie eine Gitarre richtig halten können. Dann würde schon bald ein Label A&R mit dem Vertrag winken und der Rest Europas wissen, was das für geile Typen sind, und welch große Songs sie schreiben und überhaupt: Weltherrschaft.
Diese Zeiten schienen vorüber. Mit Hooton Tennis Club darf man sich ihrer aber wunderbar erinnern. Nicht, dass das Quartett seine Instrumente nicht zu spielen wüsste oder schlechte Songs für ihr zweites Album „Big Box Of Chocolates“ geschrieben hätte. Es klingt nur alles so durchkalkuliert, als hätten ihre Steuerberater zu viel Blur gehört und dann in den Schreibeprozess eingegriffen.
Und dann kommen Hooton Tennis Club ja auch noch aus der alles entscheidenden Stadt Liverpool – der Heimat der Fab Four. Das ist natürlich keine Bürde, sondern Qualitätssiegel.
Ernsthaft auf „Big Box Of Chocolates“ zu schimpfen, würde übers Ziel hinaus schießen. Die Mischung aus Britpop, Indie und Standardpop hat durchaus Charme, und die Lo-Fi-Produktion sammelt den Pavement-Bonus ein – es kommt am Ende nur keine Melodie dabei heraus, die man nicht schon zigfach gehört hätte.
„O Man Won’t You Melt Me“ trägt den gleichen Weichzeichner über der Zuckermelodie auf, den auch The Kooks schon erfolgreich einzusetzen wussten.
Der Opener „Growing Concerns“ klingt wiederum, als würden Hooton Tennis Club Optimismus sähen, und dann, um der alten Kredibilität Willen, doch lieber ein paar Zweifel ernten. „And I’m wasting my time, sitting around being sensible/ Am I losing my mind/ Why am I even here at all.” Das hört sich sich auch wirklich so platt an, wie es sich liest.
Wer kann, sollte sich deshalb lieber zwischen dem Weißen Album der Beatles oder „Definitely Maybe“ entscheiden müssen. Vor den originären Wundertüten der britischen Popmusik wirkt „Big Box Of Chocolates“ nämlich herzlich egal.