Hip-Hop. Er kam von der Straße. Eng assoziiert mit Kriminalität und Gewalt war der Schock groß in der Elterngeneration, als gutbürgerliche, zumeist weiße Kinder der westlichen Welt plötzlich Helden hatten, die sich schnüffelnder Hund nannten und des Mordes angeklagt waren oder einen Dicken von der Ostküste und einen Muskulösen von der Westküste glorifizierten, die jeweils erschossen wurden.
Denn der Hip-Hop, der den Mainstream eroberte, war und ist bis heute zu einem Gutteil obszön, gewaltverherrlichend und problematisch misogyn und sexistisch. Doch es gibt immer, und gab schon damals, Ausnahmen.
Die legendären A Tribe Called Quest waren diese Ausnahme. Als „philosopher poets“ wurden sie schnell etikettiert; weil sie sozialkritisch rappten, ohne gewaltverherrlichend zu sein; weil sie Jazz-Samples verwendeten und einen unnachahmlich warmen und friedsamen funky Beat hatten, der Liebe statt Hass oder Wut predigte.
Weil sie einen wohltuend weiteren Horizont hatten als ihre Genre-Kollegen und fragend ein „Can I Kick It?“ über ein Lou-Reed-Sample von „Walk On The Wild Side“ legten; weil sie nicht weniger als drei Hip-Hop-Geschichte geschrieben habende Alben bis Mitte der Neunziger lässig herausgegroovten.
Aber mit dem Fame kam das Geld, kamen die Probleme – die alte Mär – und A Tribe Called Quest verstanden sich nicht mehr. Vor allem die beiden vokalen Leader Phife Dawg und Q-Tip.
Es ist schon eine Ironie der Geschichte, die ein Drehbuchschreiber nicht hätte besser dramatisieren können, dass, nachdem sich Phife Dawg und Q-Tip nach Jahren wieder sukzessiv annäherten, ihren Disput erfolgreich begruben, wieder jene dicken Bros wurden, welche sie seit ihren Vorschultagen in einem – natürlich – Baptisten-Kirchenchor in Brooklyn waren, und endlich beschlossen ein Comeback-Album zu wagen, Phife während der Aufnahmen hierzu relativ überraschend an Komplikationen seiner Typ-2-Diabetes-Erkrankung mit 45 Jahren verstarb.
Nächste Woche würde er 46 werden und nun hat es Q-Tip in seinem New-Jerseyer-Studio fertiggestellt: das Vermächtnis, das sechste und letzte Album von A Tribe Called Quest ist da.
Was der Titel meint, weiß Q-Tip nicht genau, es war einfach jener vorläufige Arbeitstitel, der Phife Dawg am besten gefiel.
Das ist der Duktus des Albums: für Phife. Ein trauriger Song über ihn bricht mittendrin ab, wie sein Leben. Seine Rap-Parts sind vernehmlicher in den Vordergrund produziert als Q-Tips. Kein Ego-Clash mehr im Angesicht der bedrohlichen Erkrankung. Doch keine Bange, ATCQs letztes Album ist keine Trauerweide.
Natürlich gibt es funky Jazz-Grooves um die Ohren, natürlich rappt Busta Rhymes gleich mehrfach sein einzigartiges Timbre ein, ist er doch im Grunde das inoffizielle fünfte Mitglied.
Natürlich versammelt Q-Tip für das Comeback der Hip-Hop-Legenden eine ausgewählte illustre Gäste-Schar. Kendrick Lamar ist dabei. Und Consequence. Und Talib Kweli. Und André 3000. Und Anderson .Paak. Sogar Jack White und Elton John.
Trotzdem ist es in erster Linie eine ganz würdevolle Verneigung vor und Verabschiedung von Phife Dawg geworden. Und ein Abschied von A Tribe Called Quest.
Erstaunlich, wie wenig sich geändert hat: Das erste visuelle Lebenszeichen, das Lyric-Video zur Single „We The People…“, zeigt es an. Kluger Widerspruch einer klugen Hip-Hop-Band zu den derzeitigen Zuständen in den Vereinigten Staaten. Kein Öl ins Feuer, keine Selbstverliebtheiten. Als wären sie nie weg gewesen.
Thank you for the music, ATCQ.