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Nicolas Jaar – Live in der Columbiahalle, Berlin

Am Ende einer langen Tour geht vielen Musikern der Esprit flöten, ohne dass man daraus einen expliziten Vorwurf formulieren könnte. Es ist anstrengend, fast täglich auf der Bühne zu stehen. Insbesondere elektronischen Klangkünstlern, die komplett allein performen, geht manches Mal auf den letzten Etappen die künstlerische Kondition aus, zwischen Flugzeug, Hotel, Venue und Autobahn.

Umso beachtenswerter, dass der bald 27-jährige New Yorker Chilene und elektronische Experimentalkünstler Nicolas Jaar gestern auf dem letzten Stopp seiner Nordamerika- und Europa-Tournee, dem europäischen Mekka elektronischer Musiken, Berlin, nicht nur die Kraft, sondern auch den Esprit hatte, für einen fulminanten, über zweistündigen Auftritt inklusive dreimaligem Wiedererscheinen.

Selig tanzte die ausverkaufte Columbiahalle ab „Space Is Only Noise“, dem letzten Song vor den Zugaben, zum furiosen 45-minütigen Finish tagträumerischer Elektro-Beats – ein Glückseligkeitsmeer gewordenes Publikum, welches, wie zu erwarten bei Jaar, lange, lange auf Tanzbarkeiten warten musste.

Denn zu Beginn regierte Jaars verschrobener Wille zur abstrakten Klangwelt. Zur Konfrontation mit dem Außergewöhnlichen, dem Unkonventionellen im Electro. Ein verfrickeltes, ineinander geschichtetes Beat-Gewusel. Assistiert von verzerrten Vocals Jaars und auch mal einem free-jazzigen Saxophon. Hypnose als Einstieg und erster Teil, tanzbare Erlösung und Wonne als Verabschiedung und Schlussakt.

Notabene trug das Lichtdesign Jaars zum Gelingen dieses experimentellen Electro-Abends maßgeblich bei, schufen allerlei Spots, Kegel und Lichttricks keine Atmosphäre des Show-Bombast, sondern eine gelungene Einladung in das eigene Gedankenkino.

Nicolas Jaars aktuelles zweites Studioalbum vom Oktober, „Sirens“, ist ein schwer zugängliches, dennoch starkes experimentelles Electro-Album. Es war selbstredend das Grundgerüst eines für Jaar gewohnt seltsam begonnenen, aber umso furioser beendeten Abends, der einmal mehr die ewig unanalysierbare Macht von Musik offenbarte, glücklich zu machen.

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