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The Notwist – Live im Batschkapp, Frankfurt

David Bowie outete sich einst als großer Krautrock-Fan. Er nannte Bands wie Neu! als prägenden Einfluss für seine eigene Arbeit. Was in den 70er Jahren hierzulande in einigen mit zu viel Equipment eingepferchten Proberäumen entstand, hatte sehr selten breitentauglichen Erfolg – der Einfluss, auch und vor allem über die Landesgrenzen hinaus, war dafür umso größer.

Ein Umstand, über den sich auch The Notwist freuen. Von Kennern und Kritikern gefeiert, im Ausland mehr als geschätzt und vor allen Unwürdigen nahezu unsichtbar.

In der Batschkapp festigt sich einmal mehr das gute Gefühl, dass weit und breit niemand im Publikum verweilt, der zu Hause Chart-Musik auf CD sammelt. Und falls doch, ihn oder sie hätte bereits der technoide Avantgarde-Rave der Vorband 1115 in die Flucht geschlagen.

Dagegen starten The Notwist regelrecht behutsam. Auf das akribische Pluckern von„Signals“, vom bis dato letzten regulären Studioalbum „Close To The Glass“ folgt mit „Come In“ ein Song aus den „The Devil, You + Me“-Sessions, der es nicht auf die Platte geschafft hat. Die Weilheimer tasten sich mit beiden Stücken sachte in einen Abend hinein, der zu einem großen Crescendo wird.

Beim darauffolgenden, munter treibenden „Kong“ fällt zum ersten Mal Licht in die bärtigen Gesichter der Acher-Brüder an Bass und Gitarre. Der Typ am Vibraphone wird sichtbar – Karl Ivar Refseth, der zuvor mit Geigenbögen seinem Instrument wollige Ton-Teppiche entlockt.

Ein Notwist-Konzert ist immer gut für Überraschungen. Weil Stil und Besetzung über die 25-jährige Bandgeschichte ständig wechselten, weiß der Zuschauer nie zu 100 Prozent, was ihn erwartet. Eines aber ist gewiss: Egal, wen Markus und Micha Acher um sich scharen, das Niveau hat noch nie gelitten.

Den Verlust von Martin „Konsole“ Kretschmann fangen Christoph Beck am Keyboard, Refseth am Vibraphone und vor allem Andreas Haberl am Schlagzeug sensationell auf. Sie sind der Technik überlegen und so dynamisch, dass selbst der unvollendete Gesang von Markus Archer unumstößlich wirkt und nur auf diese Weise denkbar scheint.

Umwerfend gerät deshalb „This Room“ von ihrer Referenzplatte „Neon Golden“. Die Elektronik kriegt den extra Arschtritt und Haberl einmal mehr die Chance zu glänzen.

Dass sich direkt darauf mit „Puzzle“ ein scheppernder Collegepunk-Song aus der Frühphase nahtlos ins Gesamtbild einfügt, ist wiederum der Verdienst der beiden Gründungsmitglieder und Songschreiber.

Sie strecken und verzweigen ihre Songs so elegant und anspruchsvoll, dass auch der dröhnendste Noiseausflug einer Andacht gleicht. Rock, Elektro, Indie, Loops – das Ganze gipfelt im Wahnsinns-Mashup aus „Pilot“ und „Different Cars And Trains“, das den ersten Zugabenblock in eine Zeit vor und nach dem Urknall teilt.

Danach darf eigentlich nichts mehr kommen. Doch deutsche Ausnahmebands wie Neu! und The Notwist (das ist zu diesem Zeitpunkt längst ins allgemeine Bewusstsein gesickert) haben natürlich noch das versöhnlichen Bonbon für den Nachhauseweg, das im Grunde gar keines ist und trotzdem so schmeckt. Mit „Consequence“ hätten The Notwist nicht besser in die verregnete Nacht entlassen können. Und: Das erste lediglich „solide“ Konzert müssen sie erst noch spielen.

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