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Wallis Bird – Live im Heimathafen, Berlin

Man kann nach einem Konzert von Wallis Bird nicht wirklich in Worte fassen, was man gerade erlebt hat. Diese gewaltige Ladung aus Energie, Raffinesse, Detailliebe und Zerstörung hinterlässt einen in Trance. Ratlos. Und höchst zufrieden. Eine Mischung aus Glücksgefühlen und Melancholie. Eine Mischung, wie sie Wallis Bird wohl auch selber lebt und erlebt. Und punktgenau durch ihre Musik bis zum hintersten Zuhörer übertragen kann.

Schüchtern könnte man meinen. Kindlich. Aber mit einem Glas Wein in der gesunden Hand. So schleicht sich Wallis auf die Bühne, ganz langsam, erfreut und überrascht zugleich ob der vielen Menschen im Publikum im Berliner Heimathafen Neukölln.

Als wüsste sie nicht genau, wo sie sich hinstellen soll, beginnt Wallis Bird ihr Konzert nicht etwa mit Musik oder Gesang, sondern trippelt erstmal am Bühnenrand von links nach rechts und prostet dem Publikum zu: “Ein gutes neues Jahr!”. Immer mehr und immer schneller, quasselt irgendwas von “nobody needs a relationSHIT”, bis sie in ein Lachen fällt, aus dem sie nur noch ihre Musik holen kann.

Ungewohnt zaghaft ist sie zu Beginn. Doch die Energie brodelt bereits. “Please! I want you to be absolutely quiet! Ich wunsche Ruhe, wenn ich spiele. Und auch wenn ich spreche.” Lachen. Doch das Berliner Publikum hört auf ihre Irin. Sie schafft, was sich so mancher Musiker wohl wünscht: Während der ganzen anderthalb Stunden ist es ruhig.

Außer Wallis Bird fordert zum Singen auf. Dann tobt der Saal und die Menschen singen, klatschen und bewegen sich zu den irisch-elektronisch angehauchten Gitarrenklängen. Ihre Songs, eine Palette von sanften Acapella-Stücken bis zu rockig mitreißenden Tanz-Nummern.

Zwei Jahre hat sich Wallis Bird zurückgezogen und an ihrem neuen Album “Home” gearbeitet, welches Ende September letzten Jahres erschien. Sie musste Energie tanken, gibt sie dem Publikum preis. Und sie wusste eine Zeit lang gar nicht mehr, über was und wie sie schreiben soll. Sie musste zu sich finden.

Ihre Freundin, erzählt sie weiter, forderte sie schließlich dazu auf, sich in das Sofa fallen zu lassen und einfach zu sagen, was ihr dabei einfällt “All I ever wanted was to settle down and to sit on a sofa”, beginnt sie zu singen. Nachhause finden. “Home”. Ganz ohne Band und mit gewohnt gebrochener, doch zielgerichteter Stimme. Nur Wallis und das Lied.

Es scheint, dass Wallis Bird nach dieser Pause tatsächlich nach Hause gefunden hat. Etwas ruhiger geworden ist. Bei sich angekommen, wie sie sagt. Doch gerade diese Ruhe lässt ihre gewohnte Energie weiter leben und bei Wallis-Klassikern der letzten Alben wie “Hardly Hardly”, “Encore” oder “I Am So Tired Of That Line” ihren Höhepunkt erreichen.

Sie stampft auf ihre Drum-Bodenplatte, benutzt den ganzen Körper als Instrument oder – und darauf wartet doch fast jeder, der Wallis Bird-Konzerte kennt – reißt eine Saite nach der anderen der akustischen Gitarre. Erst drei während des Spiels, schließlich die verbliebenen drei aus purem Übermut.

Ein geglückter Auftakt ihrer “Home”-Tour, zu Hause in Berlin, im Heimathafen, nur wenige Straßen von ihrer Wohnung entfernt.

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