Schweden ist heute aus musikalischer Sicht vor allem das Land der raubeinigen Gitarrenbands. Danach noch immer das der schillernden Popmusik. Wieviel ABBA die Welt ertragen kann, ist bis jetzt empirisch nicht belegt. Klar ist nur, dass Vita Bergen ohnehin auf das Ergebnis pfeifen würden.
Das Sextett aus Göteborg steht ABBA schließlich näher als den Hellacopters. Es kommt ohne deren teils peinliches Overacting aus und schreibt trotzdem lupenreine Popmusik.
Mit „Retriever“ verbannen Vita Bergen die Gitarren häufiger zu Gunsten von Synthesizer-Salven, mehrstimmigen Singalongs und Four-To-The-Floor-Beats und werden dadurch nochmal zutraulicher als auf ihrem Vorgänger „Disconnection“.
Auch wenn dieser weit entfernt von einem Gift-und-Galle-Album war, hat sich Sänger William Hellström für sich und seine Mitstreiter vorgenommen, auf „Retriever“ weniger angepisst zu klingen.
Das hat zur Folge, dass sich nette Ohrschmeichler wie „Brand New Day“ oder das abschließende „Black Satellite“ zur Indierockmusik (aus der Vita Bergen ja kommen) so verhalten, wie Plüsch- zu richtigen Haustieren: Pflegeleicht und sauber, aber eben auch ein bisschen leblos und deshalb wohl schneller vergessen.
„Leblos“ ist ein böses Wort und hier nur die halbe Wahrheit. Will man nicht nur nett sein, muss man auch mal dort zugreifen, wo es richtig weh tut: „Under The Sun“ oder „Light Hymn“ sind blumige Disco-Dance-Schlager auf den Spuren der Killers nach „Hot Fuss“. Dann doch lieber die Plüschtiere.
Für Gelegenheitshörer verfügt „Retriever“ mit seinen Auswüchsen über ein gewisses, schelmisches Jungbrunnen-Potential. Die Ü-50-Hausfrau darf sich hier so lange jugendlich und up to date fühlen, bis ihr die 17-jährige Tochter erklärt, dass man als Cool-Cat auch heute nicht zu ABBA tanzt, wenn irgendwo anders Flume läuft.