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Ghostpoet – Dark Days + Canapés

Als ich Play drücke, ist die Anlage voll aufgedreht. In immenser Lautstärke schallen mir metallisch klingende Töne und verzerrte Stimmen entgegen. Oha, denke ich, das wird anstrengend. Der Eröffnungstrack „One More Sip“ ist definitiv eine Ansage: Das wird kein Feel-Good-Album, also wisch dir das zufriedene Lächeln lieber direkt aus dem Gesicht.

„Dark Days + Canapés“ ist bereits die vierte Platte von Obaro Ejimiwe – besser bekannt unter seinem vielsagenden Künstlernamen Ghostpoet – und klingt im Vergleich zu seinen Vorgängern wesentlich düsterer.

Diesen finsteren Eindruck bestärken auch Titel wie „Many Moods At Midnight“ oder „Trouble + Me“. Ich bin unschlüssig, ob es der dumpfe Sound oder Ejimiwes unfassbar tiefe und volle Stimme ist, aber für mich könnten die Songs auch wunderbar aus einer dämmrigen Vampirbar dröhnen. Und nein, nicht im Sinne von Twilight oder den Vampirschwestern, sondern eher so in Richtung True Blood – dunkel, unheilvoll und ein bisschen dreckig.

Wie es sich bereits bei seinem letzten Album „Shedding Skin“ angedeutet hat, setzt Ghostpoet auch bei „Dark Days + Canapés“ auf jede Menge Gitarren. Hinzu kommen wohl dosierte Synthies, leichte Klaviernoten und ein für den Beat verantwortliches Schlagzeug.

Der Produzent und Gitarrist Leo Abrahams hat das Ganze dann noch mit einem dunklen Schleier überzogen – genauso, wie es sich für einen Ghostpoet eben gehört.

Was am Ende dabei rauskam, ist eine Platte irgendwo zwischen Alternative, Indie, Rap und kuriosen Klangexperimenten, bei deren Hören man nicht umhin kommt, ein gewisses Unbehagen zu fühlen – zum Glück.

Denn das Album „Dark Days + Canapés“ ist nicht einfach nur Ejimiwes musikalisch umgesetzte Suche nach dem eigenen Selbst, sondern entstand unter dem unheilvollen Zeichen von Trump, Brexit und anderen Katastrophen. Da darf man sich beim Hören ruhig mal unwohl fühlen.

Auch wenn – oder vielleicht gerade weil – Ghostpoet aus einer sehr persönlichen Ich-Perspektive erzählt, sind seine Songs – allesamt kleine Erzählungen – unfassbar aussagekräftig und universal. Ein prägnantes Beispiel für diesen Eindruck scheint mit der Song „Immigrant Boogie“ zu sein, dessen entwaffnende Lyrics einen beim Hören sprachlos zurücklassen:

“I was dreaming of a better life

With my two kids and my lovely wife

But I can’t swim and water’s in my lungs

So here it ends, well, life has just begun”

In all dieser Düsternis und Beklemmung liegt aber auch ein gewisses Maß an Wohlgefallen. „Dark Days + Canapés“ zu hören, ist bei weitem keine Qual, sondern ein Vergnügen. Immer wieder streut Ghostpoet kleine, wohlschmeckende Appetithäppchen – oder auch Canapés –  der Unbeschwertheit in die bedrückende Klangkulisse ein.

Denn nur so lassen sich die dunklen Tage überstehen – mit Genuss.

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