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Das lief beim letzten Mal noch anders – Death From Above im Interview

Mit ihrem Debütalbum “You’re A Woman, I’m A Machine” sorgten die beiden Kanadier Jesse F. Keeler und Sebastien Grainger alias Death From Above im Jahr 2004 für viel Aufsehen in der Disco-Punk-Szene. Zwei Jahre später war die Luft allerdings schon wieder raus. Das Duo trennte sich. Im Jahr 2011 kehrte man zurück auf die große Bühne. Nach dem Comeback-Album “The Physical World” freut sich die Anhängerschaft nun über das dritte Studioschaffen des Zweiers aus Toronto. “Outrage! Is Now” heißt das gute Stück; ein Album, auf dem sich die Band aggressiver und intensiver denn je präsentiert. Wir trafen Bassist Jesse F. Keeler in Berlin zum Interview und plauderten über einengende Komfortzonen, schnelles Arbeiten und das Älterwerden.

MusikBlog: Jesse, das neue Album “Outrage! Is Now” kommt unheimlich frisch und intensiv um die Ecke. In meinen Ohren versprüht es fast schon Debütalbum-Charme. Wie kommt’s?

Jesse F. Keeler: Oh, das freut mich. (lacht) Ich meine, ich stecke mental noch total drin in dem ganzen Produktionsprozess. Mir fehlt noch ein bisschen der Abstand. Aber tief in meinem Inneren habe ich ein ähnliches Gefühl. Ich denke, dass wir uns diesmal einfach keine großen Gedanken gemacht haben. Wir haben einfach Songs geschrieben, ohne uns dabei unter Druck zu setzen. Das lief beim letzten Album noch ganz anders.

MusikBlog: Warum?

Jesse F. Keeler: Nun, wir waren damals lange Zeit von der Bildfläche verschwunden. Als wir dann wieder am Start waren, machten wir uns irgendwie tierischen Druck. Wir wollten allen beweisen, dass wir es noch draufhaben. Diese Erwartungshaltung hat uns irgendwann ein bisschen blockiert. Das hört man dem Album auch an.

MusikBlog: Klassischer Fall von Reifeprozess?

Jesse F. Keeler: Ja, irgendwie schon. (lacht) Das hat schon was Amüsantes. Ich meine, mal abgesehen von der Zeit, in der wir getrennt waren, gibt’s uns schon seit über 15 Jahren. Andere Bands sprechen nach drei oder vier Jahren von einem Reifeprozess. Bei uns hat das ein scheinbar ein bisschen länger gedauert. Wir fühlen uns jetzt einfach wohl in unserer Haut. Das war lange Zeit nicht so.

MusikBlog: Habt ihr dieses “Unwohlsein” bewusst weg therapiert? Oder kam die “Leichtigkeit” irgendwann von selbst?

Jesse F. Keeler: Wir haben schon viel miteinander geredet. Aber letztlich war es ein natürlicher Prozess. Ich kann mich noch an Situationen erinnern, in denen wir uns in die Augen schauten und sagten: Ey, wir verlassen hier gerade unsere Komfortzone. Sollten wir das wirklich tun? Was werden die Leute da draußen davon halten?

Und im nächsten Moment mussten wir dann laut lachen. Scheiss drauf, was die Welt von uns erwartet! Wir sind keine 25 mehr. Wir machen einfach das, wozu wir Lust haben. Das war ein tolles Gefühl. Innerhalb dieses Prozesses fiel unheimlich viel von uns ab. Das hatte was Befreiendes.

MusikBlog: Ihr habt diesmal nur sehr wenig Zeit im Studio verbracht.

Jesse F. Keeler: Ja, das stimmt. In meinen Augen waren das die schnellsten Aufnahmesessions meines Lebens. (lacht) Das hatte natürlich auch viel mit den lockeren Vibes zu tun, mit denen wir ins Studio marschierten. Es war aber auch so, dass ich mir diesmal ein festes Zeitfenster vorgenommen hatte, in dem ich mit meinen Sachen fertig sein wollte.

Mir war es wichtig, dass ich fokussiert plane, denn Sebastien und ich wohnen mittlerweile weit voneinander entfernt. Sebastien lebt in Los Angeles und ich wohne in Toronto. Ich habe mir also gesagt: Ich nehme mir genau einen Monat Zeit, um alles im Kasten zu haben. Ich weiß, dass es viele Bands und Künstler gibt, denen ein solches Zeitfenster Druck macht. Ich kann so aber besser arbeiten. Wenn ich zu viel Zeit habe, dann dreh ich alles zwanzig Mal im Kreis. Das tut mir nicht gut. Und der Musik auch nicht.

MusikBlog: Und Sebastien?

Jesse F. Keeler: Der hat wunderbar mitgezogen. So waren wir schnell mit unserem Zeug im Reinen. Danach haben wir uns dann mit Eric Valentine (Queens Of The Stone Age) getroffen, der das Album produziert hat. Und auch Eric ist ein Mensch, der nicht gerne Zeit verschenkt. So hat alles wunderbar gepasst.

MusikBlog: Ihr seid diesmal nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich intensiver zu Werke gegangen. Der Titeltrack beschäftigt sich mit dem globalen Hier-und-Jetzt-Chaos. “Moonlight” ist ein Song, in dem Sebastien ein schauriges Schlägerei-Szenario verarbeitet. Und im Track “NVR 4EVR” geht es um einen verstorbenen Fan.

Jesse F. Keeler: Ich will jetzt gar nicht näher auf die besagten Songs und die Texte eingehen. Ich denke, dass Gefühle wie Angst, Trauer und Wut allgegenwärtig sind. Jeder hat sein Päckchen zu tragen. Uns ist einfach klar geworden, dass wir keine Twens mehr sind. Das hat dazu geführt, dass wir nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich mehr aus uns raus gegangen sind. Ich meine, ich bin jetzt 40 und habe zwei Kinder. Man geht einfach tiefer, wenn man älter und reifer wird.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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