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Jon Hopkins – Singularity – Rüstung Und Seide

Das Allumfassende einfangen, greifbar machen. Was Terrence Malick mit seinem monumentalen Film „Tree Of Live“ zu bebildern versuchte, findet in Jon Hopkins‘ „Singularity“ ein akustisches, nicht weniger ambitioniertes Äquivalent.

Der Engländer, der für den Streifen „In meinem Himmel“ mit Ambient-Urvater Brian Eno kollaborierte, greift nach den cineastischen Sternen, formt dabei Soundscapes erster Güteklasse bis zum totalen ätherischen Hoheitsanspruch in der Chor-Ballade „Feel First Live“ – und schießt damit nur selten über das Ziel hinaus.

Wie auf dem Vorgänger „Immunity“ ist die fünfte Soloalplatte von Jon Hopkins erneut feinste, ziselierende Electronica, mit Wucht und Leichtigkeit, mit Rüstung und Seide, und so sehr beides, dass sich Gravitation und Schwerelosigkeit gegenseitig aufheben.

Jon Hopkins will „in die Unendlichkeit und noch viel weiter“ und zwar weder im fiktionalen Sinn, wie die Star-Wars-Filme, noch im metaphorischen Sinn, wie Dirk von Lowtzow. Er will vielmehr im metaphysischen Sinne mit Körper und Geist durch Raum und Zeit, bis beides zu gleichen Teilen zerfällt und völlig egal wird.

Die erste totale Auflösung der Atome gelingt bereits in „Non Pattern Drum“, dem dritten Song der Platte. Das davor ist die Exposition, das danach der Zustand: Schwebende Teilchen im elektronischen Wirbel, ohne Richtung, ohne Zweck, ohne Grenzen. Dafür mir pulsierenden Wellen, im Takt, in Nichtexistenz und totaler Selbstvergewisserung.

Für das Elektro-Festival ist das zu wenig Bass-Drum, zu wenig Party, zu wenig Rausch. Für den Minimalismus ist das zu viel Enthusiasmus, zu viel Kreativität, zu viel Bewusstseinsstrom.

Was übrig bleibt, ist der sahnige Schwebezustand dazwischen, und dafür ist „Singularity“ bittersüßes Opium fürs Volk. Nils Frahm hat endgültig seinen kongenialen Insel-Kollegen.

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