Ist das noch Berlin? Diese Frage stellt man sich notgedrungen, wenn man an diesem Mittwoch den Weg zum Musik & Frieden geht, sich durch schwüle Luft und tropische Temperaturen kämpft, um am Ende in einem Klub zu stehen.
Geschwitzt wird dort auch, trotz einiger Ventilatoren, die an der Decke ihre einsamen Kreise ziehen. Mystic Braves und The Creation Factory spielen an diesem Abend eine Co-Headline-Show im Klub am Schlesischen Tor, die genügend Leute anzieht, um die dunkle Halle jedenfalls so auszufüllen, dass man keinen fremden Schweiß am eigenen Arm spürt.
The Creation Factory fangen pünktlich und gut gekleidet an. Rot-weiße Hemden und vereinzelt sogar Halstücher versprühen die time-travel-vibes, mit denen auch schon ihr selbstbetiteltes Debütalbum nicht geizte.
Live gesellt sich zum psychedelischen Sound des Tonträgers eine ordentliche Schippe Garage-Rock, der zwar auch auf der Platte schon prägend ist, sich allerdings kaum mit so ungebremster Gewalt und Dichte präsentiert wie auf der Bühne.
Die Lieder verschmelzen ineinander, die Menschen auch. Wer noch nicht bemerkt hat, dass es wirklich sehr warm ist, wird von Shane Stots darauf hingewiesen. Den Sound der Band beschreibt ein Fremder, der sich mitten im Konzert nach vorn beugt und sagt: „Die klingen echt wie eine Cover-Band der Kinks. Die gleichen Songs, nur ein paar Noten geändert.“ Recht hat er.
Damit hat die erste Band des Abends wohl ihr Ziel erreicht, ein möglichst authentisches Bild längst vergangener Zeiten zu zeichnen, in denen Koteletten und Tambourin noch cool und Gitarren noch ungestimmt und laut waren. Das Publikum applaudiert und verlässt großteilig den Saal. Draußen soll es geregnet haben und die Mystic Braves bräuchten noch eine Weile, heißt es.
Und tatsächlich, draußen begegnet den Konzertbesuchern der Duft von frischem Regen, der auf dem Asphalt verdampft und der Stadt wenigstens ein bisschen von der Milde zurückgibt, die sie um diese Uhrzeit verdient hat.
Eine Weile später haben sich alle und noch mehr als vorher wieder vor der Bühne eingefunden, um die Mystic Braves zu sehen. Die Menge wird wieder einmal mit einem Verweis auf das Wetter begrüßt, als Julian Ducatenzeiler sich die Gitarre umwirft und den ersten Song anstimmt.
Psychedelisch wird es auch bei den Mystic Braves, dafür aber gehörig seichter. Psychedelic-Pop mit Tambourin und Orgel statt undurchschaubarer Gitarrenfront und angenehme Unaufgeregtheit statt sympathischer Selbstinszenierung wie bei The Creation Factory lassen das Wiegen im Rhythmus jetzt erstmals zu, ohne direkt in triefenden Schweiß gehüllt zu werden.
„Maybe we’ll have to take our shirts off later“, sagt Ducatenzeiler dann, was mit Beifall begrüßt und zeitnah in die Tat umgesetzt wird. Aus dem Publikum wird der erste Schritt vom Sänger höchstpersönlich gefordert, welcher die Initiativpflicht wiederum an das Publikum abgibt.
Einige Besucher lassen sich das nicht zweimal sagen, ziehen ihre Shirts aus und schwingen sie durch die Luft. Eines landet dabei auf der Bühne neben dem verlegen lachenden Frontmann, der so viel Engagement nicht erwartet zu haben scheint.
Ignacio Gonzalez, der links steht und regelmäßig zwischen Tambourin und Orgel wechselt, den fliegenden Wechsel zwischen klerikalem und folkigem Psychedelic begleitet, hätte vom Aussehen und dem Willen zur Selbstinszenierung auch zu The Creation Factory gepasst, lockert das sonst eher träge Bild der US-Amerikanischen Psychedelic-Rocker – wer kann es ihnen bei der Hitze verübeln – auf.
Gegen Ende werden noch einige Lieder des bald erscheinenden Albums „The Great Unknown“ gespielt und das Publikum verabschiedet. Transpiration sei Dank begegnet denen, die nach dem Konzert direkt den Klub verlassen, eine angenehme Brise, die bestimmt fünf Sekunden andauert, ehe man sich wieder im großstädtischen Treibhaus wiederfindet.
The Creation Factory und Mystic Braves wollten in der Zeit reisen und genau das für ein paar Stunden vergessen machen, was alle gerade etwas mürbe macht – das haben sie erfolgreich getan.