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Seasick Steve – Can U Cook?

Der unmittelbar nach dem Renteneintritt entstehende Freizeitüberschuss beim aus dem Arbeitsleben scheidenden Teil der Bevölkerung ist ein verbreitetes, aber lösbares Problem. Gut besuchte Volkshochschul-Computer-Kurse und jahrelange Wartezeiten für Schrebergarten-Parzellen lassen vermuten, wie Betroffene dem beikommen.

In exotischeren Fällen hat man auch von Omas gehört, die mit der neu einsetzenden Freiheit anfangen, in jeden Flieger zu steigen, der sie über die Landesgrenzen bringt.

Der Beginn einer Blues-Rock-Karriere, wie Seasick Steve sie damals startete, dürfte aber doch die absolute Ausnahme sein. Jetzt veröffentlicht der inzwischen 67-jährige sein neuntes Studioalbum „Can U Cook?“.

Die Befürchtung, er komme aus einer Zeit, in der es möglicherweise cool war, ein Album als Kontaktanzeige und den dazugehörigen Albumtitel praktischerweise gleich zur Formulierung der Mindestanforderung an die Gesuchte zu nutzen, ist also nicht ganz unberechtigt. Sie stellt sich glückerweise trotzdem als Irrtum heraus.

Stattdessen verrät Seasick Steve im gleichnamigen Titeltrack „Can U Cook?“, was Frauen wollen und man glaubt es ihm, der Mann hat schließlich was erlebt. Mit 14 von zu Hause ausgerissen, lebte er als Hobo in San Francisco, Paris, England, Norwegen, in zahlreichen Güterwagons und war zwischendurch immer wieder mal im Knast.

Nebenbei produzierte er Bands wie Bikini Kill und stand mit Leuten wie John Lee Hooker oder Lightnin’ Hopkins auf der Bühne. Das hört man auch auf seinem neuesten Werk:

Heulende Gitarren, singende Blues-Harps, knallende Drums und eine Tom-Waits-Stimme, die zwischen Weihnachtsmann-Bart und Trucker-Mütze des Sängers hervorschleicht und einen zur Schnecke brüllt, wenn es sein muss.

Das ist altmodisch. Weil Seasick Steve das vermutlich ziemlich genau weiß und es ihm offenbar herzlich egal ist, könnte man es aber auch zeitlos nennen: Seine Blues-Rock-Boogie-Mischung jedenfalls groovt nach wie vor.

Da wurde wenig herumproduziert, da wurde wenig herumarrangiert, rougher Sound und unverrückbare Coolness tragen dieses Album, bannen den Hörer in ekstatischen Spannungszuständen (Vgl. „Chewin’ On Da Blues“) und treten ihm anschließend in den Arsch (Vgl. „Can U Cook?“, „Company“).

Dieser Mann zeigt, wie man seine Würde im Alter bewahrt. Er macht, was er kann und das kann er verdammt gut.

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