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Swamp Dogg – Love, Loss And Auto-Tune

Kaum etwas eindringlicher, kaum etwas opulenter, kaum etwas minimalistischer. „Love, Loss, And Auto-Tune“ ist viel mehr, als die bloße Inklusion von Auto-Tune in den Sound des Soul-Großmeisters Swamp Dogg.

„Love, Loss, And Auto-Tune“ schrammt an unzähligen Stellen um wenige Millimeter am makellosen Contemporary-R’n’B Album vorbei.

„I’m Comin With Lovin’ On My Mind“ und „Answer Me, My Love“ klingen nach der Zukunft des R’n’B, sind sich zu schade, um nur contemporary sein zu wollen und spicken den, im R’n’B sonst oft klinischen, Soundteppich mit Stolpersteinen.

Emotionale Tiefe statt emotionaler Geradlinigkeit bedingt auf „Love, Loss, And Auto-Tune“ einen erratischen Sound, der sich bewusst gegen Makellosigkeit entscheidet.

Warum? Um den Erfahrungshorizont eines Künstlers zu zeichnen, der seit fast 40 Jahren im game ist.

Von der Verlustangst, über die liebevolle Intimität, bis hin zur Selbstdarstellung im Angesicht der Trauer („$$$ Huntin’“, „I Love Me More“) bleibt kein titelgebendes Thema unangetastet.

„Love, Loss, And Auto-Tune“ klingt dabei gleichzeitig jung und erfahren, kompromisslos und eklektisch, gefasst und unfertig.

Unfertig nicht in dem Sinne, dass es inkonsequent mit Sound und Themen umgeht, ganz im Gegenteil. Unfertig in dem Sinne, dass es Liebe und Verlust eben nicht mit einer fingierten Autorität und einem Selbstbewusstsein angeht, das jede Zweifel ausschließen würde, sondern Menschlichkeit.

Auto-Tune ist hier nicht Beschönigung, Glorifizierung oder Ablenkung, sondern Stilmittel, um das Imperfekte darzustellen, die Fehler und das Versagen.

Swamp Dogg singt von dollars, ohne zu posieren, von Liebe, ohne sich zu schämen und von Verlust, ohne nach Ausreden zu suchen. Was die Liebe angeht, ist er ist mit 76 so weit wie jeder andere, und gibt es als einer der wenigen auch zu.

„I’ll Pretend“ ist das wohl bedrückendste Geständnis des bisherigen Musikjahres. In Kooperation mit Bon Ivers Justin Vernon sinniert die entrückte Stimme Swamp Doggs über den Verlust einer unsterblichen Liebe, den Bestrebungen, Geschehenes allein durch Gedankenkraft ungeschehen zu machen.

Synths und brüchige Beats vertonen die Entscheidung dazu, blind zu sein. Konservierung statt Verarbeitung, die innere Zerrissenheit im Bewusstsein über den Selbstbetrug als Grundriss für einen dualistischen Gemütskonflikt stehen im Mittelpunkt.

Und trotzdem klingt es wie nichts, das man schon mal gehört hätte.

Swamp Dogg bringt auf “Love, Loss, And Auto-Tune” so viel Ambition mit wie King Krule – und so viel Lebenserfahrung wie drei.

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