Manche Bandnamen sind so schlecht, dass man schon gar keine Lust mehr hat, sich die Band anzuhören. Wenn er nach Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom klingt, nach YouTuber mit eben jenem, oder nach Rap, der sich mit dem in der Szene so beliebten Wort „spitzbübisch“ bezeichnen lassen müsste.

Doch manchmal, sehr selten, fast nie, ist es ein Fehler, sich davon abschrecken zu lassen. Deswegen aufgepasst und drei Kreuze im Kalender: Theodor Shitstorm sind so ein Fall.

Zusammengesetzt aus Songwriterin Desiree Klaeukens und Filmemacher Dietrich Brüggemann liefern sie auf ihrem Debütalbum „Sie Werden Dich Lieben“ Wohnzimmer-Pop-Hymnen, mal als Eulogie, mal als Litanei verkleidet. Texte wie ironisch ausgefüllte Kreuzworträtsel und Musik, als wären Wir Sind Helden zur Hamburger Schule gegangen.

Auf ihrem ersten Album spielt sich dabei ein Thema mit aller Wucht in den Vordergrund: die Sehnsucht. Nach etwas Vergangenem, nach etwas Neuem, nach etwas Anderem. Mit lakonischer Mundharmonika auf „Getriebeschaden In Der Slowakei“, zum Beispiel.

Oder auf „Nicht dein Typ“. Der anfangs durch wiederholte Selbstzentriertheit zu langweilen droht und sich dann, nicht zuletzt dank subtil-repetitiver Animal-Collective-Freak-Folk-Anleihen – die auch beim darauffolgenden „Gesagt“ nochmal auftauchen – und einem geil-verkitschten Stadion-Rock-Riff, zu einem der außergewöhnlichsten Songs der Platte mausert.

Oder auf „Mama, Schick mir die Platten von Reinhard Mey“, bei dem sie selbstironisch feststellen, dass „dieses Lied klingt, wie eine Ballade aus den 80er Jahren“ und das von dem traurigen Anblick der älterwerdenden Eltern handelt, sowie der Vergegenwärtigung des Vergangenen, also dem allertragischsten Versuch, die Zeit umzukehren, anzuhalten oder sonstwie in ihrem rücksichtslosen Fortschreiten zu hindern.

Doch bei aller Sehnsucht und partieller Traurigkeit, klingt immer eine dieses gewisse Görenhafte durch. Wenn das Fallbeil der Guillotine herabstürzt, trifft es hier immer zuerst den Schalk im Nacken.

Passend dazu wechselt sich „Schuld“, dominiert von einem dramatisch-jaulenden Akkordeon und elektrisch-dröhnenden Gitarren, der moralische Zeigefinger immer mit dem sarkastischen Mittelfinger ab.

Genau diesen strecken sie auch der Depression entgegen. Und zwar auf gleichnamigem Song, der sich als schwungvolles, passiv-aggressives Hassliebeslied entpuppt: „Komm wir feiern dir ein Fest / Weil du uns nie alleine lässt“. Und: „Tanz mit uns die ganze Nacht / Denn du hast uns längst umgebracht“.

Zwischen all den auch klamaukigen Zeilen gibt es immer wieder diese eine Passage, die einfach trifft. In Mark und Bein und Herz.

In „Kunst“ plädieren sie für einen, naja, eher weiter gefassten Kunstbegriff. So ist Kunst nicht nur, wenn ich dir in die Augen schau, sondern auch, wenn ich dir auf die Nase hau. Kunst ist das, wo Kunst draufsteht und außerdem ist Kunst auch: pipapo. Scheißegal, das ist Kunst. Vielleicht etwas zu konkret, um als wahrhaft dadaistisch durchzugehen.

Mit dem Titeltrack streichen Theodor Shitstorm – Gott, ist der Name doof; immer noch – noch einmal sensibel, einfühlsam, und ganz sanft über unsre aller Wangen, wie es sonst nur eine liebende Mama kann. Ein zarter Windhauch, den du beim Start benötigst, um endlich Abheben und Fliegen zu können.

Zwischen Dada-Koketterie und politisierendem Anprangern, schwingt nicht nur der Vorschlaghammer der Dritten Wand entgegen, sondern auch immer ganz viel Liebe mit; vor allem zur Musik.

Mit dem einzigen Kritikpunkt, dass es in letzter Instanz ein wenig an Abwechslung bei Struktur und Dramaturgie der einzelnen Stücke mangelt, und das Potential zu pointierten Bonmots zu oft nicht ausgeschöpft wird. Denn die Lieder sind meist einfach zu lang. Aber, wir wissen jetzt, auch das ist Kunst.

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