MusikBlog - Entdecke neue Musik

Vennart – To Cure A Blizzard Upon A Plastic Sea

Für eingefleischte Prog-Fans war es eine unsägliche Hiobsbotschaft, als Oceansize vor sieben Jahren das Handtuch warfen. Fünf vor Musikalität strotzende Perfektionisten waren am Ende ein paar zu viel in einer Band, wie man heute weiß.

Frontmann Mike Vennart machte sich erst rar und dann in zweiter Reihe weiter, als er zusammen mit Oceansize-Gitarrist Richard Ingram in die Live-Band der befreundeten Biffy Clyro einstieg. Es sind gerade die zwei, die seither das schottische Trio auf Tour vor Kraft strotzen lassen.

Zwischen dem Tour-Trott schrieb Vennart, der inzwischen genießt, sein eigener Chef zu sein, ungewöhnlich offene und zugängliche Rocksongs, die 2015 auf seinem Solodebüt „The Demon Joke“ erschienen und manchem Fan-Herzen Trost spendeten.

Dass es poppiger wurde, ist ein Vorwurf, der nur in der hintersten Ecke des Prog laut wurde. Denn auch wenn die Songs zutraulicher klangen und sich ihre Genialität nicht erst nach zehn Durchläufen offenbarte, so schlugen sie doch etliche Haken und waren mit Strophe-Refrain-Mustern allenfalls in Ansätzen vertraut.

Was fehlte, war ein konsistenter Sound. In Relation zu den bis in die Haarspitzen perfekt produzierten Oceansize-Alben war hier fast Fahrlässigkeit auszumachen. Das lag zum einen daran, dass Vennart komplett selbst aufnahm und ihm dabei vergleichsweise rudimentäre Mittel zur Verfügung standen. Zum anderen wollte er bewusst mit dem Perfektionismus brechen, der Oceansize Kopf und Kragen kostete.

Und damit wären wir bei Album Nummer zwei und den großen Differenzen. Am Sound gibt es dieses Mal überhaupt nichts auszusetzen. „To Cure A Lizzard Upon A Plastic Sea“ ist aus einem Guss und tadellos produziert. Und wer geglaubt hat, es ginge fortan nur noch ein poppiger zur Sache, wird ebenfalls auf dem falschen Fuß erwischt.

Im 11/8-Takt tritt der Opener „Binary“ die Haustür ein, durch die dann alles marschieren darf, was an anspruchsvoller Gitarren-Musik so faszinierend ist. Große Melodien, vertrackte Rhythmen, clever verschachtelte Motive, die gegeneinander laufen, miteinander spielen, umeinander tanzen und Schicht um Schicht auf einen Höhepunkt hinsteuern.

Großartig gelingt Vennart das in „Donkey Kong“. Der hymnen-hafte Rocksong besteht aus zig verschiedenen Teilen, keiner ließe sich als Strophe, keiner als Refrain bezeichnen, alle hängen wunderbar zusammen und steuern auf den finalen Moment zu, in dem Vennart unverschämt hoch „Honesty“ brüllt und dabei ein bisschen nach Mike Patton klingt.

Das ist nah dran an den Großtaten von Oceansize, was vielleicht weniger verwundert, wenn man bedenkt, dass Vennart neben seinem Biffy-Clyro-Kollegen Richard Ingram auch den dritten einstigen Oceansize-Gitarristen Steve Durose – inzwischen bei Amplifier – für sich gewinnen konnte.

Vennarts zweite Soloplatte ist damit wohl die größtmögliche Reunion, die nach dem Ende der Manchester Prog-Genies möglich schien. Damit keine Verwechslungsgefahr entsteht, gibt es mit dem kosmischen „Immortal Soldiers“ oder der schwelgerisch-schönen Ballade „Into The Wave“, die so auch von A Perfect Circle stammen könnte, immer wieder Überraschungen.

Nicht wenige Stimme meinen daher gar, Vennarts Zweite, sei das Beste, das eines der ehemaligen Oceansize-Mitglieder seit dem Ende der Über-Band veröffentlicht hat – und das ohne Plattenfirma im Rücken. Würden wir so unterschreiben.

Facebook
Twitter

Schreibe einen Kommentar

Das könnte dir auch gefallen

Login

Erlaube Benachrichtigungen OK Nein, danke