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Diese Nostalgie ist ergreifend – Parcels im Interview

Knapp vier Jahre nachdem fünf, dem australischen Byron Bay entstammende, Freunde gemeinsam nach Berlin aufbrachen, um ihre Karrieren als Rockstars voranzutreiben, veröffentlichen sie als Parcels jetzt ein Debütalbum, das ebenfalls den Namen „Parcels“ trägt. Dazwischen lagen Auftritte auf den größten europäischen Festivalbühnen, den weltweit wichtigsten TV-Shows und dem Studio von Daft Punk. Wir haben mit Gitarrist Jules über Lisa-Witze, die Arbeit am Album und australische Coolness gesprochen.

MusikBlog: Jules, du und deine Bandkollegen seid nach der Schule von Australien nach Deutschland gezogen. Die jungen Deutschen, die den umgekehrten Weg gehen, oft nur für ein paar Monate, sind hierzulande sprichwörtlich. Es gibt sogar ein eigenes Genre von Witzen, in denen man sich darüber lustig macht, dass sie sich für besonders individuell halten, in Wirklichkeit aber nur einem Trend hinterherlaufen.

Jules: Ich wusste nicht, dass sie eigene Witze haben, aber solche Leute sind mir hier durchaus schon untergekommen! Aber um ehrlich zu sein, wurden wohl auch wir von so einem Trend beeinflusst. In der kleinen Stadt, aus der wir kommen, gibt es zumindest so einen. Ich habe einige Freunde, die rübergekommen sind und die haben uns Berlin ja empfohlen. Wir wollten auf jeden Fall nach Europa und für Berlin im Speziellen haben dann mehrere Dinge gesprochen.

MusikBlog: Fühlt ihr euch noch wohl hier oder gibt es etwas, dass dich stört an den Deutschen?

Jules: Nein, ich freue mich immer, wenn ich wieder hier bin. Was ich an den Deutschen wirklich mag, ist, dass sie so ehrlich sind. Wenn sie dich nicht mögen, dann zeigen sie’s dir und das ist in Australien ganz anders. Die Deutschen konfrontieren einen schon gerne, das machen Australier einfach nicht.

MusikBlog: Jetzt seid ihr ja schon fast vier Jahre hier und habt zwei EPs veröffentlicht? Wieso gibt’s erst jetzt ein Album?

Jules: Wir haben uns anfangs einfach noch nicht bereit gefühlt, ein Album aufzunehmen. Wir kamen nach Berlin und es schien natürlich, mit einer EP anzufangen. Wir hatten 2014, bevor wir nach Berlin aufgebrochen waren, schon eine EP aufgenommen aber die wurde nie richtig veröffentlicht, also fühlt es sich für uns nicht so an, als hätten wir so lange gewartet.

MusikBlog: Das klingt so, als gäb’s für euch schon einen Unterschied zwischen einem Album und einer EP, der über die Anzahl der enthaltenen Songs hinausgeht?

Jules: Das macht einen großen Unterschied für uns! Ein Album ist ein Werk und nicht nur ein Haufen von Singles. Da kann man wirklich eintauchen in eine musikalische Reise, in einem künstlerischen Sinn ist das viel mehr. Das ist schon ein Meilenstein für uns, auf jeden Fall etwas, das wir von Anfang an wollten.

MusikBlog: Hat das die Arbeit beeinflusst?

Jules: Ja, bis zu einem gewissen Grad schon. Das Album ist viel breiter geworden, weil wir tiefer in uns gegangen sind, um sicherzustellen, dass wir all die musikalischen Inspirationen, die wir in unserem Leben gesammelt haben, in einem Werk vereinen. Besonders haben wir natürlich betont, was wir als Band machen wollen. Es fühlt sich so an, als würden sich diese dreieinhalb Jahre, all das Touren, das Zusammenziehen und das ständige Tighter-werden als Live-Band, endlich in ein Bild fügen.

MusikBlog: Du sprichst explizit von allen musikalischen Inspirationen. Ich weiß, dass du vor Jahren in einer Metal-Band gespielt hast, spielt so etwas auch eine Rolle?

Jules: Definitiv, vor allem wenn’s um’s Produzieren geht. Wenn wir Disco-Musik machen wollen und wir wissen nur, wie man Disco-Musik aufnimmt, wird’s langweilig. Ich habe in einer Instrumental-Metal-Band, die sehr von 80er-Rock und Heavy-Metal beeinflusst war, gespielt. Da habe ich mit einem unglaublichen Schlagzeuger gearbeitet, der mir sehr viel über Rhythmus, und was du damit machen kannst, beigebracht hat. Davon profitiere ich immer noch.

MusikBlog: Ist dieser Verschmelzungsprozess ein Schlüssel zu eurem Sound?

Jules: Ich denke schon. Unsere Harmonien sind stark von altem Folk inspiriert. Die Mehrstimmigkeit in diesen Songs hat uns auf die Idee gebracht, das eben auch zu machen. Anatole war mal in einer Funk-Band, deshalb haben wir auch solche Einflüsse. Ich glaube, wir haben inzwischen viel Erfahrung gesammelt und lassen uns auch von allen Arten von Musik inspirieren, z.B. von exotischer Musik aus den 50ern und 60ern. Ich hab’ viel Zeit damit verbracht, herauszufinden, wie die ihre Musik aufgenommen haben, aber auch von 90er-Zeug.

MusikBlog: Ihr habt aber definitiv eine Vorliebe für alte Musik?

Jules: Jeder ist von alter Musik beeinflusst! Die funktioniert einfach. Natürlich inspiriert uns auch aktuelle Musik, aber wir hören einfach mehr alte Musik, Quincy Jones, Rodriguez, Neil Young und Crosby, Stills and Nash. Ich persönlich mag einfach den Klang alter Aufnahmen lieber, außerdem ist das eben auch die Musik, mit der wir groß wurden. Die ist mit einer Nostalgie verbunden, die einen ergreift.

MusikBlog: Diese Nostalgie spiegelt sich ja durchaus auch in eurem Äußeren wider, ist das Teil eurer Kunst?

Jules: Das glaube ich nicht. Natürlich ist der visuelle Aspekt einer Band wichtig und das wissen wir auch. Aber wie wir uns anziehen beispielsweise, ist nicht kalkuliert. Jeder hat ja irgendeinen Stil und vielleicht passt das bei uns gut zur Musik. In Australien laufen viele so rum, vor allem in Byron Bay. So sind wir aufgewachsen.

MusikBlog: Mein Eindruck ist, dass die vielen australischen Acts, die es gerade so gibt, schon auch eine gewisse Lässigkeit verbindet, die über den Kleidungsstil hinausgeht. Ich denke da neben euch an Tash Sultana, Courtney Barnett oder Tame Impala.

Jules: Hm, schwierig. Vielleicht gibt es im Auftreten der Australier schon irgendwie eine Gemeinsamkeit, langsam, freundlich, in der Regel nicht besonders ausgefallen und so weiter. Vielleicht findet ihr Europäer das erstrebenswert oder cool, weil es für euch exotisch ist. Für uns ist das aber ähnlich bei amerikanischen oder französischen Bands.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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