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Jorja Smith – Live im Docks, Hamburg

Nicht jeder bucht das Uebel & Gefährlich, verkauft aus, wird hochverlegt ins Docks und verkauft nochmal aus. Jorja Smith schon. Am gestrigen Montagabend frieren hunderte in Reihen auf der Reeperbahn, während sich drinnen möglichst schnell der Winterjacken entledigt wird.

Die britische Sängerin, die in diesem Jahr mit ihrem Debütalbum „Lost & Found“ nicht nur die Musikpresse, sondern auch namhafte Künstler aufhorchen ließ, soll es nicht stören. Zumal im Docks niemand die vier Stockwerke erklimmen muss, die im Uebel & Gefährlich schon vor Konzerten für keuchende Fans sorgen.

Im Docks selbst offenbart sich ein Bild, das man so erwartet hat. Junge Menschen mit vielen Handys stehen eng beieinander und drängen noch weiter aufeinander zu. Es wird laut getuschelt und gelacht, Stories werde gepostet und Bier wird getrunken.

Für den Support-Act Maverick Sabre wird sich nur sporadisch interessiert. Die akustischen Singer-Songwriter-Sounds kommen gegen das Gemurmel im Publikum kaum an, lediglich wenn Maverick Sabre gerade mal nicht singt, merkt die Masse, dass da Applaus hingehört.

Den Künstler selbst scheint das nicht wirklich zu stören. Zwischen selbstbestätigendem Nicken und Call-and-Response-Orgien mit dem Publikum wird einem bewusst, wie gut der junge Brite eigentlich nach Hamburg passt.

Nur halt nicht unbedingt in einen Club oder eine Konzerthalle, sondern auf die andere Elbseite. Da wo Musical-Sänger kitschig sein dürfen und man sich zu ernst nehmen darf. Hier wirkt das alles ein wenig deplatziert, so als hätte jemand Maverick Sabre für die Teens Choice Awards gebucht und die Kinder wären nicht gekommen.

Dabei merkt er selbst, dass die meisten mehr Lust auf Jorja Smith haben und fragt mindestens drei mal nach, ob es denn wirklich so sei. Ein überraschendes und kontextloses „Love“ beendet das Set des Openers. Irgendwie geflüstert und irgendwie mit behaupteter Dringlichkeit haucht Maverick Sabre das Wort ins Mikro und verschwindet danach hinter der Bühne.

Vielleicht will der Künstler sich damit einen zorroesken Mythos aufbauen, als der Künstler, der „Love“ sagt. Im Gegensatz zum Rächer mit dem X befindet er sich da aber eher auf verlorenem – oder besser besetztem – Posten.

Dann kommt Jorja Smith selbst und sämtliche Zweifel daran, der Abend würde in erstickender Gewöhnlichkeit enden, verschwinden. Kleid und Stimme in klassischer R’n’B-Manier begleiten die ersten beiden Songs „Lost & Found“ und „Teenage Fantasy“.

Mitsingen kann jeder, während die junge Britin von links nach rechts schreitet und scheinbar mühelos Töne bedient, die bei anderen Künsterl*innen für Verkrampfungen sorgen würden.

Im Grunde bleibt keine andere Option, als die gesangliche Performance und das Auftreten Smiths als makellos zu bezeichnen. Wo bei anderen Schnitzer zum Image gehören, im Spiel mit dem Publikum schon mal die Maske fallen gelassen wird, herrscht bei Jorja Smith pure Professionalität. Die wirkt aber eben nicht gekünstelt oder forciert, sondern natürlich.

„February 3rd“, „The One“, „Carry Me Home“ und „On Your Own“ machen den Mittelteil aus und da keinen Unterschied. Wärme macht sich breit unter den unterkühlten Besucher*innen.

Das einzige, was den Eindruck eines fehlerlosen Konzerts trübt, sind wieder einmal die Handys. Wenn in den ersten Reihen dauernd und gerade bei den eigenen Lieblingssongs das Handy gezückt und für die komplette Länge des Liedes vor das eigene Gesicht gehalten wird, geht der kollektive Geist eines solchen Abends verloren.

Aus einer Erfahrung, die sich einige hundert Menschen miteinander teilen, werden hunderte Videos, die hunderte Menschen mit niemandem und jedem teilen. Aus der ekstatischen Freude über den eigenen Lieblingssong wird der Griff in die Hosentasche und der Blick auf einen Bildschirm, der so wenig zu tun hat mit der Seele, die sich in Stimmform ihren Weg durch sämtliche Ohren bahnt.

Ein schönes Lichtermeer in der Zugabe, die mit „Don’t Watch Me Cry“ und „Let Me Down“ höchst emotional besetzt ist, täuscht nicht darüber hinweg, dass genau diese Handys irgendwie im Weg waren. Ein Feuerzeug nimmt eben kein Video auf, während es leuchtet und lässt Platz dafür, derjenigen in die Augen zu schauen, die nur heute und in diesem Moment für einen singt.

Der letzte Song „On My Mind“ sorgt wenigstens für etwas Ekstase, auch weil der begleitende Drummer Drum’N’Bass-Tempo fährt und jeden beeindruckt.

Jorja Smith war perfekt, Maverick Sabre, der sogar noch für ein Duett auf die Bühne kommt und neben ihr noch verlorener wirkt, nicht wirklich und der Abend wenigstens wunderschön. Wenn da nur nicht dieser bleibende Beigeschmack wäre, der einem sagt, dass es noch schöner hätte sein können – hätten doch nur ein paar Leute weniger in den Händen gehabt.

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