Jemand der aufbegehrt, sich widersetzt. Das ist die Definition eines Rebellen. Richard Ashcroft inszeniert sich auf „Natural Rebel“ als solcher. Nomen est omen, also?
Auf den ersten Blick erleben wir eher die Tom-Petty-Werdung des Richard Ashcroft. Die ersten beiden Songs „All My Dreams“ und „Birds Fly“ werden von Gitarren, die ihre Sehnsucht nach einfachen, vergangenen Tagen nicht verbergen können, dominiert.
In „That’s How Strong“ zeigt sich Ashcroft als Kreuzfahrtschiff-Elvis. Auf karger Bühne, den Synthesizer die Instrumentierung – zwischen Wunderkerzen und Fernsehgarten changierend – übernehmen lassend, schunkelt er die Zuhörer im Gleichschritt mit dem einschläfernden Wellengang in wohlige Gleichgültigkeit. Wo ist hier der doppelte Boden? Der ironische Kniff?
Und im nächsten Song – „Born To Be Strangers“ – wirkt das zuvor gehörte schon wieder wie eine surreale-selbstironische Traumsequenz einer britischen Sitcom, in der Ashcroft eine Gastrolle übernommen hat. Als hätte es irgendwie nie richtig stattgefunden.
Denn der patentierte Britpop-Blues, neben urban-hymnischen Balladen, das schmackhafteste Rezept des Songwriters Richard Ashcroft, wird mit einer beachtenswerten Selbstverständlichkeit zelebriert.
Das ist nämlich die andere Seite des potentiellen Rebellentums: Ashcroft widersetzt sich dem Drang, sich widersetzen zu müssen. Angepasstheit als ultimative Rebellion.
Denn so ikonenhaft „Bittersweet Symphony“ oder „The Drugs Don’t Work“ schon zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung gewesen sein mögen, Instant Icons quasi, hat Ashcroft trotz Geiler-Frontmann-Attest, noch nie die Bürde der Innovationsnot hinter sich herziehen müssen.
Weder The Verve, noch seine anschließenden Solo-Platten waren überbordend im Bezug auf das Neue, das Andere, das Experimentelle. Und diese Tatsache kommt ihm in seinem, naja, Spätwerk natürlich entgegen.
Die Erwartungshaltung gegenüber Künstlern, die einst Mauern durchbrachen, ist natürlich eine andere als bei denen, die vorhandene Mauern lediglich schön verzierten.
Im Alter wird der Vorschlaghammer-Arm auch gerne mal lahm und man greift lieber zum Pinsel. An diese Umstellung müssen sich Ashcroft und seine Hörer nicht gewöhnen.
Ashcroft macht einfach das, was er schon immer überdurchschnittlich gut beherrscht hat: Einfache, aber prägnante, schöne (Brit-)Pop-Melodien in Einklang mit seiner grundlegenden Blues-Affinität zu bringen, ohne Scheu vor ausufernd-aufdringlichen Streichern.
Das eckt auf dem (ja vielleicht doch nicht) antithetisch betitelten „Natural Rebel“ noch weniger an als 1997 und wird partiell nur von Ashcrofts noch immer sensationell charismatischer Stimme vor der Beliebigkeit gerettet.
Aber am Ende ist man mitunter tatsächlich „surprised by the joy of this“.