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Father John Misty – Live in der Centralstation, Darmstadt

Der Rauschebart und die schulterlangen Locken könnten Joshua Tillman alias Father John Misty auch in die Form des überauthentischen Lumberjack mit Wandergitarre pressen. Der Rest seines Aufzugs und vor allem seine Songs distanzieren sich aber so deutlich von diesem überstrapazierten Image, dass ihm in seiner Disziplin derzeit kein anderer Songwriter dieser Größenordnung den Rang streitig macht.

Mit rot getönter Sonnenbrille und cremefarbenem Anzug als Bühnenoutfit will er schon rein äußerlich nicht der Kumpel von nebenan sein, mit den gleichen Problemen aus dem Biosupermarkt. Father John Misty steht ein bisschen über den Dingen, sonst wäre es ihm sicher kaum möglich gewesen, den ganzen Witz der Existenz in ein Album zu packen.

Pure Comedy“ aus 2017 ist die vertonte, universelle Komödie, die Joshua Tillman nicht fertig gebracht hätte, ohne zu Father John Misty zu werden. Es ist sein bestes unter vier guten Alben und bekommt in der Darmstädter Centralstation verdienter Maßen den meisten Raum.

Los geht’s allerdings mit „Hollywood Forever Cemetery Sings“, einem Stück der ersten Father-John-Misty-Platte, bei der man Tillmans neues Alter-Ego erst noch zu verorten versuchte.

Was folgt ist ein buntes Set, das sich grob in zwei Hälften teilt: Auf einen rockigen, härteren Auftakt um Stücke wie das tolle aktuelle „Mr. Tillman“, folgt eine sanftmütigere, folkige zweite Hälfte, mit Songs wie dem piano-lastigen „Pure Comedy“.

Heimliche Highlights fehlen allerdings genauso wie warme Worte. Es gibt kein „Bored In The USA“ kein „Leaving LA“, kein „A Bigger Paper Bag“. Dafür einen wortkargen Tillman auf vornehmer Distanz, der lieber die Musik sprechen lässt und Kunst im Zweifel über Sympathie stellt.

Er ist eben der Typ Songwriter, der sich zwischen Espresso und Champagner wohler fühlt als in Mitten von  Kellerbier und Schweinerippchen. Im Grunde passt das auch prima zu seinem kultivierten, stets elegant anmutenden Sound-Chick sowie seiner formidablen, fast klassisch geprägten Stimme.

Selbst das Publikum scheint sich in gewisser Weise darauf vorbereitet zu haben. Es applaudiert artig, singt an den Stellen, die das textlich zulassen, verhalten mit, und versucht ansonsten, nicht weiter aufzufallen.

Aus der Reihe tanzt im wahrsten Sinne des Wortes nur manch extrovertierter Tanzschritt des Sängers. Das wirkt oft bemüht und sucht selten den Einklang mit der Musik – bricht aber bisweilen, wenn auch etwas unbeholfen, die kühle Zurückhaltung.

Zwischen „Ballad Of A Dying Man“ und „Writing A Novel“ ist das ganze Konzert im Grunde eine Tuchfühlung mit einer Kunstfigur. Das wird auch bei den drei Zugaben deutlich, wovon zwei von der aktuellen Platte kommen und eine mit dem Titelsong von „I Love You, Honeybear“ den vielleicht emotionalsten unter vielen konstruierten Momenten bereithält.

Es ist ja nicht so, dass man das bei Konzerten nicht schon häufiger erlebt hätte. Für gewöhnlich sind die einstudierten Alter-Egos aber viel weiter weg und schimmern über große Leinwände in Multifunktions-Arenen.

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