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Frank Turner And The Sleeping Souls – Live in der Sporthalle, Hamburg

Beim Versuch zu kategorisieren, wer sich an einem Freitagabend in Hamburg auf ein Konzert von Frank Turner einlässt, stößt man schnell an die Grenzen der eigenen Kreativität und landet beim kleinsten gemeinsamen Nenner. Sind halt alles Menschen.

Alt, jung, mittelalt, mitteljung, also mindestens so viel Varianz wie bei niederländischen Gouda-Sorten. Der Brite lässt Familien, junge und alte Paare und Gruppen aus Mädchen und Jungs gleichermaßen in die Alsterdorfer Sporthalle strömen, die nicht ganz ausverkauft ist.

Zwei Supports sind angekündigt und treten auf, was bei dem Publikum zu Beginn allerdings eher als Grund wahrgenommen wird, noch etwas lauter zu quatschen.

Xylaroo singen zum Glück lauter. und unter anderem ein Cover von „Under The Bridge“, diesem einen Song, von dem man nie wusste und wissen wollte, dass man fast jedes Wort fehlerfrei mitsingen kann, und „Track A’ Lackin’“, ihrem eigenen Song, den – wie einen Großteil des Sets – bald auch jeder mitsingen kann. Der Applaus hält sich in Grenzen, während der live etwas zu minimalistisch konzipierte Indie-Rock an den Kamin erinnert, den in einer Großstadt niemand hat.

Als nächstes und nach sehr kurzer Pause dürfen dann Pup ran. Die Punk-Rocker aus Kanada sind noch lauter und motivieren sogar die hinteren Reihen, zu klatschen. Die junge Band, die im letzten Jahr noch im Molotow spielte, dankt Frank Turner für die Möglichkeit, in Locations zu spielen, die weder nach Scheiße, noch nach Urin stinken, verweist ironisch auf das viel zu kleine Banner, das ganz oben an der Decke hängt und spielt mit Songs wie „Reservoir“ und „If This Tour Doesn’t Kill You, I Will“ unverbrauchten Punk, ohne unsympathische Rockstarposen. Der ein oder andere denkt gegen Ende des Sets vielleicht, dass Pup genau so klingen, wie Frank Turner sich gern vermarktet, nippt dann an seinem Bier und beginnt „Recovery” zu summen.

Frank Turner und seine Sleeping Souls betreten ähnlich pünktlich die Bühne und setzen da an, wo Pup aufgehört haben. Kaum eine Sekunde bleibt der Frontmann während „1933“, das wie der zweite Song „Blackout“ vom aktuellen Album „Be More Kind“ kommt, ruhig.

Zwischen Lichtshow und unruhigem Herumtraben auf der Bühne wird noch ein „Moin Moin“ ins Publikum gebrüllt, das jetzt endlich und endgültig aufgewacht ist. Turner liebt die Selbstinszenierung. Schon beim zweiten Song steigt er in den Fotograben und die Barrikaden hinauf, hält die Hände seiner Fans und das Mikrofon fest.

Man meint, eine Geste zu erkennen, die auf das Öffnen eines Moshpits hindeutet – vielleicht hat Turner das deutsche Konzertpublikum mit dem der Festivals verwechselt – erinnert sich aber gleich daran, das Frank Turners Musik überwiegend mit dem Folk liebäugelt und an den Stellen das Tempo herausnimmt, an denen es sonst eigentlich los geht.

Und „Recovery“? Das spielt er als vierten Song, löst jetzt schon die Anspannung jedes Zuschauers, der unbedingt das passende Foto/Video für Instagram mitnehmen wollte. Handybildschirme erleuchten die Halle und verschwinden, sobald „Recovery“ vorbei ist und „Little Changes“ gerade anfängt.

Dann wird alles gespielt, von „The Way I Tend To Be“ über „Be More Kind“, bis „If I Ever Stray“ und „Try This At Home“ ist alles dabei. Der Abend mit Frank Turner And The Sleeping Souls ist eine Tour De Force, ein streng durchchoreographierter Auftritt eines Popstars, der irgendwie auch Rockstar und Wunschschwiegersohn ist.

Kurz vor der Zugabe steht er allein auf der Bühne, spielt „The Ballad Of Me And My Friends“ und andere Lieder, die fast vergessen lassen, wie unruhig er noch eine Stunde vorher über die Bühne huschte.

Professionell halt, Mumford & Sons als Singer-Songwriter und das geheime Eingeständnis, dass große Hallen doch ein bisschen geiler sind, als der Anspruch, wirklich Rockmusik zu machen, ohne Kompromisse und Hintertüren.

Egal. Am Ende singt doch so ziemlich jeder mit, und Frank Turner sieht zufrieden aus. Sicher mit dem heutigen Auftritt. Sicher auch damit, dass er jedenfalls im Vorprogramm einer Band die großen Hallen eröffnen konnte, der sie sonst wohl auf lange Zeit verschlossen geblieben wären. Guter Typ, müssen wir doch irgendwie zugeben.

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