Nach längerer Durststrecke finden die vier Kanadier/innen von Dilly Dally wieder gütlich zusammen. Zelebriert nicht nur in ihrem Video zu „I feel free“. Sie promoten ihre neue Platte „Heaven“ vor allem mit einer endlos anmutenden Menge an Live-Gigs.
Kurz vor Ende der Europa Rundreise im ehrwürdigen Molotow. Ein Dienstagabend offensichtlich nicht ideal. 19:40, gähnende Leere. Erst 20:30 wird es angenehm voll, scheinbar wollten alle die nicht vorhandene Vorband überspringen.
Nebel und los geht’s. Aushängeschild und Herz der Truppe Katie Monk im weißen Spitzenkleidchen zu schwarzen Docs. Jimmy Toni am Bass optisch queer im glitzernden Minirock zu schwarzem Muscle-Shirt.
Es startet harmonisch musikalisch. Bis Katie anfängt, flüsternd ins Micro zu „hauchen“. Sofort mit subtiler Gewalt durchs Hirn rein in die Nackenhaare. Bis sie wirklich loslegt, dann ist Subtilität schlagartig aus. Ihr krächzendes Schreien geht voll in den Bauch und trifft dort auf den Bass.
Das Schlagzeug ein knackig, trockener Treiber, unerbittlich vorwärts. Aber das Instrument des Abends ist und bleibt die Stimme von Katie. Mimik, Gestik und Sound im konstanten Wettstreit und Widerspruch.
Verschmitzt blitzende Blicke unter dem Wasserstoff-Pony und mädchenhaftes Kokettieren treffen auf krächzendes Schreien. Und das kommt von ganz tief drinnen, langgezogen bis an die Grenze des Verträglichen. Musikalisch und in-den-Bann-ziehend.
Schmerzverzogenes Gesicht trifft auf ohrenbetäubend intensives Flüstern. Wenn Katie das Publikum fixiert, bohrt sich der Blick förmlich durch einen hindurch.
Ihre neue Flying-V musikalisch gespielt, mit beiden Händen aus zwei Richtungen überfordert oder im Knien malträtiert. Liz Ball daneben an der zweiten Gitarre immer sachlich. Gute Laune in tiefer Konzentration.
„Have you guys been here the last time we played?“. Das war beim Reeperbahnfestival 2016, gleiche Bühne. Damals deutlich undifferenzierter und krachiger als heute. „Yeeees“ Eindeutig kamen viele Gäste wieder.
Passend zur Bandhistorie, aufgearbeitet im Track „Sober Motel“, gibt es nur Wasser auf der Bühne. Keine wilde Party, kein Exzess. Hochkonzentrierte Musik. In ihrer ungemütlichen, schwierigen Schönheit faszinierende Musik.
Die Show selber wird zur Nebensache. Dilly Dally spielen primär Tracks der neuen Platte, zwischengestreut und rauher ein paar Tracks vom Erstlingswerk.
Ansagen zu den Tracks gibt es keine. Ist auch vollkommen egal. Ein organischer Flow an Sound zieht einen wie an der Schnur durch den Gig. Grenzen zwischen Tracks verschwimmen.
Zugabe. Sie hoffen, dass nicht alle heimgehen und nach dem Gig noch dableiben. Man merkt, dass ihnen das Ende der gut besuchten Club-Tour schwerfällt.
Dass Dilly Dally die Energie für ihre Gigs aus dem Publikum ziehen glaubt man sofort. Die vier sind auf der Bühne viel besser aufgehoben als im Studio.