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Viagra Boys – Live im Headcrash, Hamburg

Es gibt schlechte Bandnamen. Und sehr schlechte. Euternase als Support vor Viagra Boys ist der Jackpot.

20 Minuten vor Beginn kommen die vier Jungs von Euternase erst rein. Bauen in seeliger Ruhe auf. 20:01 Uhr geht’s los, entgegen der Mir-doch-egal-Attitüde wird deutsche Pünktlichkeit geschätzt. Das Debutalbum „L’Amour“ letztes Jahr in 18 Stunden eingespielt. Rotziger Sound. Post-Punk wird der Platte nicht gerecht. Desillusioniert optimistischer Stimmungsträger erweitert ausgetretene Klischees.

Das Publikum mit 5 Meter Abstand von der Bühne. Bandmitglied „STIMME“ geht ab der ersten Sekunde aggressiv ab, simulierte Tritte gegen Fotoapparate. Schrammeliger Sound. Ausziehen schon beim ersten Stück. Die Hose und Schuhe mit Hilfe des Publikums.

Kette mit Vorhängeschloss um den Hals. Wildes Zucken, Geifern in Unterhose, Springen in der großen freien Fläche vor der Bühne. Das Publikum nimmt’s nüchtern. Oder ernüchtert?

„Punks not dead but it deserves to die, when it becomes another stale cartoon“. Die Zeile von Jello Biafra schießt bei der erzwungenen Show durch den Kopf. „Der Vorreiter der sozialen Isolation…“, repetitiv, immer wieder. „Verbraucht & kaputt“, der Sound wird besser. Noise über treibendem Bass geht langsam auch ins Publikum. Die Musik beginnt die Show zu übertönen, sehr gut.

Viagra Boys, jetzt ist kein Platz mehr vor der Bühne. Distanziertes Interesse verdrängt vom unbedingten Willen, dabei zu sein. Die Hundeshow-Sprachsatire „Best in Show“ vom Band reicht schon. Alle sind wirklich dabei.

Ganzkörper-tätowierter Sänger und Tätowierer Sebastian Murphy schon jetzt am Boden. Der Bass wie gewohnt der Fels in der Mitte der Bühne. Einmal dreht er sich um, sonst wird er seine Pose kein einziges Mal verändern. Genauso solide sein Sound, „Slow Learner“.

Die Grundlage ist gesetzt, alles fügt sich darum ein. Saxophon steigt ein, vereinzeltes Quäken. Auf den Punkt, in die Beine.

Eine Steigerung wirkt kaum möglich, trotzdem geht es subkutan immer tiefer. Der Pogo Zirkel wird konsequent größer. Die Menge der leeren Bierflaschen auf der Bühne auch.

So geht es durch das Debut-Album „Street Worms“. „Sports“ erstaunlich früh. Gesungen bei Liegestützen über dem Micro auf dem Bühnenboden.

Nichts wirkt aufgesetzt, Jello Biafra eines Besseren belehrt. Dreckige Authentizität gemischt mit moderner Komposition. Exzessiver Abriss des kompletten Gebäudes wird zur Pflicht.

„Worms“, unerhört langsam und dicht treibt das Low-Fi Highlight alles an. Das Saxophon wie ein erkälteter Elefant, die Geschichte über der Rhythmus-Fraktion.

Unmengen leerer Bierflaschen auf der Bühne werden nach Resten durchsucht. „I need a cigarette“ triggert einen Zigaretten-Regen auf die Bühne, das reicht für die nächsten Tage. Bierflaschen werden mit den Zähnen aufgemacht. Jedes Klischee wird bedient.

Die Wand des Clubs schreibt in Riesen Lettern irgendwas von wegen No-Smoking. Band und Publikum bestehen aus Slow Learnern, die nicht lesen können. Die Dame am Keyboard tut einem leid bei der Dichte an Testosteron.

Eine endlose Noise-Jam-Version von „Shrimp Shack“ gibt den Rest. Jetzt springen alle, es gibt kein Halten mehr. Alternde Punks, Hipster mit Bart und Baseball Cap, North-Face Jacken, Pullunder mit Karo-Hemd. Gemischter kann es nicht sein, genau das funktioniert. Nur jung gibt es nicht, scheinbar muss man erwachsen sein für das Gemetzel.

Bewunderung für die Jungs. Sie halten das gefühlte 100 Gigs am Stück durch und wirken trotzdem kein bisschen durchgetaktet.

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