Für etliche Genres gibt es ein Post-Adon, das suggeriert, dass etwas vorbei ist, und auf der Dekonstruktion der alten Werte Neues entsteht, das sich daran anlehnt. Post-Rock, Post-Punk, Post-Anything.
Dem Elektro hat bisher keiner ein Post vorangestellt, weil Elektro wohl noch nie vorbei war, seit er uns beehrt. Das Wiener Produzenten-Duo HVOB würde mit seinem vierten Album aber mehr denn je den Begriff Post-Elektro rechtfertigen.
Das liegt erstens daran, dass „Rocco“ kaum weiter entfernt sein könnte vom technoiden Eurodance der 90er. Und zweitens fiept und zirpt es überall so, als hätte die technologische Apokalypse bereits stattgefunden.
Der Opener „2nd World“ klingt wie der erste Sonnenauf- nach dem Weltuntergang, den humanoide Roboter verursachte haben und jetzt die Scherben zusammenfegen.
„It leads into a second world where you are free“, singt Anna Müller über die minimalistischen Synthesizer- Fieper von Paul Wallner. Es ist „Her Voice Over Boys“, kurz HVOB.
Den meisten Menschen bereitet die Auflösung der Grenze zwischen Technologie und Humanität Kopfschmerzen. HVOB haben kein Medikament dagegen, geben aber mit dem maschinellen „Butter“ eine von etlichen Vorstellungen, wie es klingt, wenn die Technologie vollständig übernommen hat.
Überhaupt ist wenig Menschliches an „Rocco“. Am ehesten noch Anna Müllers Stimme, die meist auf Zehenspitzen aus dem Schlafzimmer schleicht. Aber wer weiß schon, ob das nicht nur ein klug programmierter Algorithmus mit möglichst menschlichen Zügen ist?
„Sync“ fühlt nämlich wieder das Ende der digitalen Revolution, die der Mensch verloren hat. Es fühlt Frieden. Nur vorbei ist deshalb noch lange nichts.
HVOB dehnen ihre Songs nicht selten auf über acht Minuten, und machen daraus ein Doppelalbum, als bewusstes Statement für konzeptionelle Substanz und künstlerisches Selbstvertrauen, sozusagen ein Counterpart zum einmaligen, rasanten Musikkonsum, ein Statement gegen den Wegwerfartikel Musik.
Dadurch wird „Rocco“ auch zu einer Ausdauerprobe, sich in post-elektronischer Umwölkung von über 80 Minuten nicht aufzureiben. Alles Taktik der Maschinen?