Es gibt keine schlechten Sleater-Kinney-Alben. „The Center Won’t Hold“, Nummer neun im 25-jährigen Bandoeuvre, bildet davon keine Ausnahme und zeigt sich damit in kontinuierlicher Tradition stehend.

Aber „The Center Won’t Hold“ wird auf absehbare Zeit als ein Bruch in der Bandbiographie wahrgenommen – und ich finde, er ist herbeigeschrieben. Okay, das schier unerschütterliche Trio Carrie Brownstein, Corin Tucker und Jante Weiss ist nicht mehr.

Gleich nach Beendigung der Aufnahmen zum neuen Studioalbum Sleater-Kinneys stieg Weiss aus, angeblich – doch so klar ist das nicht – wegen musikalischer Differenzen.

Die kann man äußerlich sofort festmachen an der prominenten Produzentin des Albums: Annie Clark, aka St. Vincent. Und dass ihr erhabener Art-Rock nicht viel mit dem frühen Grunge-Sound einer aus dem Epizentrum des Grunge stammenden Band zu tun, dürfte auch klar sein.

„The Center Won’t Hold”, und das ist der wichtigere statistische Fakt, ist das zweite Album nach der Reunion 2015. Und auch bereits das fulminante Comeback-Album „No Cities To Love“ war kein Aufguss längst vergangener Zeiten.

Die Band hat wohltuend keine Lust darauf, dass die Neunziger ständig bei ihnen anrufen und alte Kamellen zurückverlangen. Insofern ist das ganze Gerede von Weiss-ist-ausgestiegen und Sleater-Kinney-klingen-wegen-St.Vincent-jetzt-ganz-anders nichts anderes als Gossip.

Frauen in ihren Mittvierzigern dürfen also keine musikalische Band-Evolution hinlegen? Aber, dass Queens Of The Stone Age nicht mehr so klingen wie zu „Songs For The Deaf“-Zeiten ist große künstlerische Evolution? Nein, an „The Center Won’t Hold“ ist alles in bester Sound-Ordnung.

Wohltuend und erfrischend setzen elektronische Producer-Schnipsel Akzente, und brummt, poltert und wabert ein neuer Sequenzer-Bass. Der etablierte deftig-wuchtige Sound, gebrochen von femininem Gesang, der nicht versucht, in Männerdomänen vorzudringen, erfährt durch solchen Synthie-Gebrauch eine gelungene Erweiterung.

Erinnerungen an Blondie, nur in derber, werden an manchen Stellen wach. Und darüber hinaus bleibt das Songwriting erste Alternative-Rock-Liga. Keine platten, langweiligen 0815-Riffs, die reflexartig alkoholische Instinkte bedienen – Sleater-Kinney waren schon immer eine laute Band für Hörer, die nachdenken.

Die Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Umwelt ist die x-te Kontinuität, die man auf dem Album ausmachen kann. Namentlich die Rolle älter werdender Frauen im Entertainment-Business.

Es gibt keine schlechten Sleater-Kinney-Alben – ganz besonders nicht dieses.

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