Es war lange unklar, wie es um Keane steht. Nicht nur für Fans der charmanten Briten, die für ihren melancholischen Piano-Pop 37 Mal mit Platin ausgezeichnet wurden, sondern auch für die Bandmitglieder selbst. Wie es nach sieben Jahren Pause schließlich doch zu „Cause And Effect“ kam, erzählt uns Tim Rice-Oxley in einem offenen Gespräch über die Arbeit als Songwriter, Vertrauen und besondere Verbindungen.
MusikBlog: Seit eurem letzten Album „Strangeland“ machte Keane offiziell eine Pause. Hast du jemals darüber nachgedacht, dass die Band sich tatsächlich auflösen könnte?
Tim Rice-Oxley: Ja, manchmal schon. Wir haben nie wirklich darüber gesprochen, was der Plan ist. Für mich war es sehr hart, diese Pause auszuhalten. Natürlich habe ich immer mal wieder mit Tom darüber gesprochen, aber er meinte, er wolle abwarten, was mit seinem Solo-Album passiert.
MusikBlog: Warum denn überhaupt die Pause?
Tim Rice-Oxley: Ich glaube, dass wir 2013 alle eine Pause brauchten. Aber nachdem ein bisschen Zeit ins Land gezogen war, war es für mich schwierig, nicht zu wissen, ob es weiter geht. Ich habe es vermisst, mit Tom, Richard und Jesse zu arbeiten. Ich bin wirklich stolz auf die Musik, die wir zusammen machen und wollte gerne weitermachen. Aber tief drin hatte ich so ein Gefühl, dass wir wieder dorthin zurückkommen würden.
MusikBlog: Wann stellte sich heraus, dass du Recht haben würdest?
Tim Rice-Oxley: Das war Anfang 2018. Ich hatte viele Songs geschrieben und Rohversionen davon aufgenommen. Als ich mich mit Tom getroffen habe, habe ich ihm ein paar davon vorgespielt und er meinte sofort: „Das ist ein Keane-Album.“
MusikBlog: Du hast auch mit anderen Künstlern wie Gwen Stefani oder Gary Barlow Musik geschrieben. Wie entscheidest du, welcher deiner Songs ein Keane-Song wird und welcher nicht?
Tim Rice-Oxley: Um ehrlich zu sein, behalte ich einfach die besten für Keane (lacht). Deswegen macht mir die Arbeit als professioneller Songschreiber auch nicht so viel Spaß. Ich bin mit zu viel Leidenschaft dabei. Und ich möchte nicht, dass ein Song, den ich aus den Tiefen meiner Seele hervorhole einfach nur Track 13 auf irgendeinem Pop-Album wird. Deswegen kann ich die Arbeit mit Keane auch so wertschätzen. Da machst du zusammen mit Leuten Musik, denen du total vertraust, dass sie deine kleine Kreation aufnehmen und zu etwas Magischem machen.
MusikBlog: Und bei anderen Künstlern fehlt dieses Vertrauen?
Tim Rice-Oxley: Ich glaube, ich bin einfach kein guter Kollaborateur, was beim Songwriting ein wichtiger Bestandteil ist. Mir fällt es schwer, so viel von mir zu geben, wenn ich jemanden zum ersten Mal treffe und das vielleicht auch noch an einem Montagmorgen um neun Uhr. Natürlich hat es mir teilweise auch Spaß gemacht und ich habe nette Menschen kennengelernt, aber um ehrlich zu sein, denke ich mir früher oder später immer: „Warum schreibst du deine Songs nicht einfach selber?“
MusikBlog: Bei Keane bist du zwar Songwriter, aber Tom haucht deinen Zeilen Leben ein. Euer aktuelles Album „Cause And Effect“ handelt fast ausschließlich von deiner Trennung. Ist es nicht komisch, solche persönlichen Songs zu schreiben und sie dann von jemand anderem singen zu lassen?
Tim Rice-Oxley: Nein, gar nicht. Außer natürlich, es wäre jetzt jemand anderes als Tom. Aber wir sind schon seit über 40 Jahren Freunde und machen schon so lange gemeinsam Musik, dass ich es gar nicht anders kenne. Es hört sich vielleicht komisch an, aber für mich wäre es viel seltsamer, die Songs selbst zu singen. Mein Songwriting fließt einfach durch Tom, was natürlich eine sehr besondere Verbindung ist, für die ich sehr dankbar bin.
MusikBlog: Ihr werdet mit dem Album auch auf Tour gehen. Hast du Angst davor, diese intensiven Gefühle jeden Abend erneut zu durchleben?
Tim Rice-Oxley: Nein, ich freue mich viel mehr. Was wir über die Jahre gemerkt haben ist, dass uns die Reaktion des Publikums auf unsere Songs wirklich wichtig ist. Es ist schön zu merken, wenn die Musik ihnen was bedeutet und sie einen Zugang dazu haben. Je emotionaler die Musik ist, desto leidenschaftlicher sind auch die Reaktionen der Hörer darauf. Das ist die größte Belohnung, die man als kreativer Mensch oder Musiker bekommen kann.
MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.