Eigentlich sitzt Jan Kerscher aka Like Lovers hauptsächlich hinter den Reglern. In seinem Ghost-City-Studio im ländlichen Röttenbach produzierte er beispielsweise A Tale Of Golden Keys oder Mutiny On The Bounty.

Mit „Everything All The Time Forever“ erscheint das erste Solo-Album des gebürtigen Stuttgarters, das den Hörer wie ein hypnotischer Sog nach unten zieht und einmal umgekrempelt wieder ausspuckt.

Nichts auf „Everything All The Time Forever” lässt sich leicht einordnen. Ist das jetzt Elektro, Singer/Songwriter oder sperriger Pop? Wo ist hier der Refrain beziehungsweise gibt es überhaupt einen? Eins ist sicher: Like Lovers macht keine Musik zum Mitsingen.

Und trotzdem zieht der durchdringende Gesang von Kerscher einen bereits in den ersten Sekunden in seinen Bann. Man braucht ein bisschen Zeit, um sich mit „Everything All The Time Forever“ anzufreunden, aber dafür geht die Freundschaft anschließend umso tiefer.

Man merkt, dass in diesem Erstling viel Liebe zum Detail steckt. Schon der titelgebende Opener lagert so viele Soundschichten übereinander, dass man zwischen Streichern, Beatschnipseln, Synthie-Einsprengsel und gelayerten Backings den Überblick verliert.

Aber wer braucht den schon, solange Kerscher ihn hat?

„People Shaped Mirrors“ erinnert mit außergewöhnlichen Klavierharmonien und Kopfstimme wie eine Pop-Nummer aus der Feder von Thom Yorke.

„Infinite“ wirkt mit Harfenklängen zunächst wie eine simple Singer/Songwriter-Nummer, aber auch hier kommt Kerschers Produzentenhändchen durch. Unauffällige Beats treffen auf stilvolle Synthies. Kerschers Lyrics „How can you be sure / How can you know?“ sind sozusagen Programm, denn bei allen Songs von “Everything All The Time Forever” kann man sich nicht sicher sein, in welche Richtung sie sich entwickeln.

Herzstück ist das epische „Fall“, das mit jeder Sekunde einen größeren Sog erzeugt, der einem keine andere Wahl lässt als mit unterzutauchen:

In knapp sechs Minuten entfaltet sich der Song – übrigens begleitet von einem sehr sehenswerten Video – von einem schüchtern Intro zu einer Kreuzung aus Massive Attack und Nine Inch Nails, die einen mit düsterer Wucht mitten ins Mark trifft und trotz sommerlichen Temperaturen eine Schicht Gänsehaut heraufbeschwört, die einen so schnell nicht mehr loslässt.

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