Neues Jahr, neue Bands. „Mucke bei die Fische“, alljährliches Mini-Festival im Molotow. Sozusagen der erste Vorbote fürs Reeperbahnfestival, das auch Sponsor ist. Neun Bands, die „man mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit noch nie live gesehen hat und somit dort bei ihren ersten musikalischen Gehversuchen in Deutschland erleben kann“. Timetable gibt es erst wenige Minuten vor Beginn, um gezielte „Spätkommer“ zu vermeiden.
Coach Party starten auf der Bühne im Club und es ist in der Tat schon gut gefüllt. Die jungen Damen treten leger auf, blaues Baumfällerhemd ist angesagt. Balladenartiger Sound mischt sich mit Surf, ein bisschen Grunge spitzt hervor. Sichtlich gerührt, sie haben noch nie vor solcher einer „large crowd“ gespielt. Klassischer Gesang wechselt sich mit stakkato-artigem Sprachgesang. Eingängiger Sound mit Kante, schöner Einstieg.
Überlappend fangen Wasuremono oben in der Skybar an. Die erste Publikumswanderung setzt ein. Wave trifft auf Dreampop, alles handwerklich gespielt, wenig Elektronik. Romantik mit pointiertem Schlagzeug. Dazwischen schrammelige Einlagen aus der Vergangenheit. Minimal Elektro fast ohne Elektronik gemischt mit komplexen Lagen-Teppichen.
Und wieder überlappend startet Betterov im Karatekeller. Die Stärke des Events – viele junge Bands kriegen eine Chance, in einem speziellen Club zu spielen. Das entpuppt sich gleichzeitig als eine kleine Schwäche – die nächste Publikumswanderung setzt ein.
Singer/Songwriter auf Deutsch, einzig ein E-Piano als Begleitung. Sonst spielt er mit Band. Emotional schwieriger Wechsel von Party auf düster getragene Dramatik mit Tiefe. Die Texte transportieren keinen Inhalt, sondern Bilder. Jetzt ist auch der Keller rappelvoll.
Junodream aus London auf der Bühne im Club. Nett gemachter Indie-Rock ohne Überraschungseffekt.
Den wiederum liefert Kitt Philippa in der Skybar. Androgyn nüchtern im Auftreten, beeindruckende Stimme. Zuerst begleitet sie sich mit dem E-Piano, wechselt dann an die Gitarre. Dazu ein sehr reduziertes Schlagzeug, leise, komplex.
Das Schlagzeug mehr Jazz als Singer-/Songwriter. Sie steigern gekonnt die Intensität, die 30 Minuten Spielzeit kommen das erste Mal kurz vor. Die Irin ist schwer in eine Schublade zu packen. Am ehesten zu vergleichen mit alten Sachen von Nina Nastasia.
Damit ist dann auch Schluss mit Ruhe und Harmonie. THUMPER aus Irland mischen den Club gewaltig auf. Zu sechst mit drei Gitarren erzeugen sie wahrhaft brachiale Schallwände.
Intelligenter Noise-Core-Punk mit einem Schlag Metal? Sie ziehen alle Register einer Live-Show. Verrenkungen, wildes Tanzen, Ausziehen, Baden in der Menge, kniend in der Mitte des Publikums. Live keine Anfänger mehr. Zum Ende bringen sie den Laden komplett zum Explodieren.
Mosh-Pit von 0 auf 100 in Einmal-Aufspringen. Alle Deos versagen, Schweiß tropft vor und auf der Bühne. Keine Musik fürs Sofa, beeindruckender Abriss in nur 30 Minuten. Das hat vollkommen gereicht, um ein rundum glückliches Publikum aufgewühlt zu hinterlassen.
Wie zu erwarten, schließen Talk Show den offiziellen Teil des Abends ab. Die anderen Bühnen sind durch, alles trifft sich im Club. Wieder London, irgendwie kommen fast alle von den Inseln im Westen.
Es wird kein bisschen leiser, dafür komplexer und abwechslungsreicher. Post-Punk mit starkem Wave Einschlag. Bühnen Attitude zwischen Black Midi und The Murder Capital, das ist also gerade angesagt. Der Sänger kokettiert mit queerem Auftreten.
Sound düster gewaltig oder gewaltig düster. „Fast And Loud“ das erste Highlight. Vorlesung mit erhobenem Zeigefinger trifft auf ordentlich Wumms. Sehr abwechslungsreich, teilweise sogar Rap-Einschläge im Gesang.
„I had a dream, we were dancing in the dark together. Watzing holding hands forever“ der Refrain von „Banshee“ bleibt hängen. Auch hier reicht die halbe Stunde, um alle in Bewegung zu versetzen. 23:30 Uhr und alle sind noch ein Stück zufriedener.
Nach dem Festival ist vor dem Konzert. Das übliche Samstag-Programm setzt ein. „Motor Booty“, der „Rock’n Roll Danceflor“. Während oben fröhlich zu den Klassikern getanzt wird, übernehmen Hickeys den Karatekeller. Vier junge Damen aus Madrid liefern gut gespielten, freudigen Glitterpunk mit viel Make-Up und glitzerndem Kleid. Man merkt gar nicht, dass das Festival offiziell zu Ende ist.
Sehr eng gepackter Abend. Trotzdem eine tolle, vielseitige, Veranstaltung, nicht nur für das Publikum, noch viel mehr für die jungen Bands. Man sieht ihnen allen an, wie beeindruckend der Abend für sie selber war.