Wir leben schon in verdammt komischen Zeiten, oder? Die Ära, in der noch die Wahrheit zählte, ist vorbei. Der politische Wahnsinn wird durch Donald Trump, Boris Johnson & Co bestimmt und lässt die Realität so merkwürdig erscheinen, dass das Leben eine Art Fiktion wird.

Die Satire scheint nicht mehr in der Lage zu sein, jemanden zur Rechenschaft zu ziehen. Kein Wunder also, dass sich jetzt auch Green Day, ihrerseits Meister im Austeilen von Spott und Häme, entschlossen haben, sich diesem ganzen Irrwitz entgegen zu stellen.

Auf dem Opern-Pop-Punk-Opus “American Idiot” aus dem Jahr 2004 haben Billie Joe Armstrong, Mike Dirnt und Tré Cool meisterhaft Wut und Angst in Kunst verwandelt.

Was kann man also in der heutigen Zeit also sagen, wenn nichts mehr irgendwie Sinn ergibt? Wann scheint der Protest zwecklos? Die Antwort? Nur eine verdammte Party kann helfen und das liefern Green Day auf ihrem neuen Album “Father Of All Motherfuckers” a la bonne heure.

Mit etwas mehr als 25 Minuten ist es wohl das kürzeste Album der drei Kalifornier – sogar ganze fünf Minuten kürzer als ihr Debütalbum “39/Smooth” aus dem Jahr 1990 – und widersetzt sich ausdrücklich politischer Kommentare, so wichtig sie auch sein mögen. Es scheint so, als hätte sich die Band ein “American Idiot: Trump Edition” vorgestellt, um dann genau das Gegenteil zu machen.

Und schon der Opener “Father of All…” verspricht viel Energie und verursacht schon in den ersten Takten ein sehr vertrautes Gefühl. Kein Wunder, denn die Lead Single von dem mittlerweile schon 13. Album von Green Day wird seit mehreren Monaten von Radiostationen rund um den Globus rauf und runter gespielt.

“What a mess? Because there’s no one to trust”, rotzt Billie Joe Armstrong in guter Jack-White-Manier in sein Mikrofon und deutet schon die Richtung des Albums an: viel Energie und auflehnende Texte – “Hurry up ‚cause I’m making a fuss / Fingers up ‚cause there’s no one to trust”!

Weiter geht es auf “Father Of All Motherfuckers” mit “Fire, Ready, Aim” und “Oh Yeah!”, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Bei Pop-Punk die Unterschiede zu finden, ist jetzt nicht schwer, aber dafür konkurrieren beide Songs perfekt miteinander.

“Fire, Ready, Aim” hat diesen typischen Sound – energiegeladen, schnell und mitreißend. Sofort möchte man auf die Tanzfläche und in den nächsten Moshpit springen.

“Oh Yeah!” ist dagegen ruhiger, mitunter selbstreflektierend. “I am a kid of a bad education / The shooting star of lowered expectation”, singt Frontmann Armstrong und beruhigt dennoch alle mit “Everybody is a star.”.

Wenn man das neue Album zum ersten Mal hört, dann ist “Stab You In The Heart” wahrscheinlich das bekannteste Lied. Irgendwie kommt das einem sehr bekannt vor?

Richtig! Green Day bedienen sich gekonnt an Chan Romeros “Hippy Hippy Shake” aus dem Jahr 1959. Doch geht es diesmal nicht um einen populären Tanz aus den 50ern:

“And now I wanna see you dead / With a switchblade edge / To the chest”. In “Stab You In The Heart” geht es um einen wütenden Erzähler, der dazu bereit ist, seine Frau zu töten, da er die Untreue in ihr erkannt hat. Alles erzählt in der Kürze des Songs.

Auch “I Was A Teenage Teenager” schnürt die Ängste enger zusammen. Ein eher biografischer Song, in dem es um die Pubertät Armstrong und Dirts geht. Beide besuchten dieselbe Highschool, waren aber nie richtig ein Teil davon: “I was a teenage teenager, I am an alien visitor / My life’s a mess and school is just for suckers”.

Green Day sind seit vielen Jahrzehnten Dauergäste auf den wichtigsten Festivals und spielten bis Dato unzählige Konzerte in den größten Stadien die Welt. Wenn man sich „Junkies On A High“ anhört, kann man im geistigen Auge die winkenden Arme und die Pyro schon sehen, während “Graffitia” förmlich darum bettelt, die erste Zugabe bei einem Konzert zu sein.

“Father Of All Motherfuckers” ist das instinktvollste Album Green Days seit 16 Jahren. Alles scheint zu stimmen und perfekt platziert zu sein.

Green Day sind furchtlos, dreist und frei von Täuschungen. Ihre Absicht wird dennoch deutlich, wenn man zwei Plattencover der Band vergleicht: war auf “American Idiot” noch ein Herz in Form einer Handgranate zu sehen, kotzt auf “Father Of All Motherfuckers” fröhlich ein Einhorn umher.

Im besten Fall versucht man nicht, einen Sinn dahinter zu finden, sondern einfach das neue Album zu genießen.

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