Respekt für die Schonungslosigkeit. Leider ist das zweite Album „Color Theory“ von der blutjungen Soccer Mommy ansonsten kein musikalischer Meilenstein.

Katharsis durch Jammern ist zwar ein altbekanntes Mittel, in der Popwelt der Traurigkeiten zum Erfolg zu kommen, doch bleibt der Grat ein schmaler zum Selbstmitleids-Kitsch.

Sophie Allison ist aber noch jung genug, um hier von allzu strengen Vorwürfen des Ego-Trips befreit zu werden. Auf „Color Theory“ schrammelt sie sich recht grungy an Kindheitstraumata und Familienproblemen ab.

Die psychische Gesundheit im ehrlichen Selbstportrait zu offenbaren, kostet Mut. Auf ihrem Debütalbum „Clean“ von vor zwei Jahren hat sie für dieses Credo auch ordentlich Kritikerlob eingefahren.

Ihre auf Rockgitarrenarbeit fußenden Folk-Songs sind auch, dem Anlass angemessen, notwendig reduziert, nur entfaltet ihre grau-schwarze Farbenlehre keinen überbordenden melancholischen Zauber.

„Color Theory“ mutet eher wie ein Versuch einer 22-jährigen talentierten Musikerin aus Nashville an, sich selbst in das verregnete Seattle des Jahres 1994 zu schrumpeln.

Flüchtige Glücksmomente und aussichtsloses Wehklagen: „Color Theory“ kämpft sich durch und ist dabei zu sehr ein selbstreferenzielles Stück Bewältigungsarbeit. Aufräumen in der eigenen Biographie.

Wie ein anstrengender, biographische Züge tragender Familienroman, mit therapeutischem Nutzen für die Autorin oder den Autor, aber kaum Mehrwert für Leserinnen und Leser.

Der Mehrwert für den Hörer ist, was „Color Theory“ durchschnittlich macht. Wen diese Rock-Folk-Melancholie berührt, der jault mit Soccer Mommy um die Wette.

Wer eine universellere Sprache des Leids sucht, um eigene Anschlussfähigkeit herzustellen, wird mit diesem Album im Grunge-Regen stehen gelassen.

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