Wenn sich eine Gruppe schon einen walisischen Namen gibt, der noch dazu auf längst vergangene Zeiten verweist („Hen Ogledd“ lässt sich mit „der alte Norden“ übersetzen und bezeichnet die alten Königreiche in Nordengland und Südschottland), dann drückt man schon mit der Erwartung eines etwas spezielleren, vielleicht etwas volkstümlichen Hörerlebnisses auf die Play-Taste.

Aber steht traditionell-walisische Musik wirklich so abseits der gängigen westlichen Harmonie- und Musiklehre? Oder ist es einfach die verschrobene Schrägheit einiger Avantgarde-Musiker, die man hier hört?

Zu hören sind hier Rhodri Davies und Richard Dawson, Dawn Bothwell und Sally Pilkington. Nachdem Hen Ogledd als Duo der beiden Erstgenannten begonnen hatte, ist die Gruppe mittlerweile zum Quartett gewachsen. „Free Humans“ ist ihre vierte Platte seit 2013.

Man muss jedenfalls mit viel Dissonanz klarkommen, wenn man dieses Album hört. Der Song „Kebran Gospel Gossip“ ist der Höhepunkt dieser vermeintlichen Klangexperimente, bei dem im Hintergrund viel Percussion kläppert und ein schiefes Saxophon trötet und in der Gesangstimme mehr Töne kratzen statt sitzen.

Man kämpft sich durch diese sechs Minuten, wie eigentlich durch dieses ganze Brett von einem Album, aufgeblasen auf viel zu lange 80 Minuten. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die meisten Songs über fünf oder sechs Minuten gezogen werden, obwohl sie sich kaum entwickeln und allzu repetitiv vor sich hinplätschern. Mehr als einmal muss man einen Abschalte-Impuls unterdrücken.

In „Earworm“ stellt er sich etwa ein, einem Song, der so gar nicht dem gerecht wird, was man landläufig unter einem Ohrwurm versteht. Über stampfend-aggressive Synth-Beats windet sich eine ziellose Melodielinie.

Oder im „Loch Ness Monster’s Song“, der in ein chaotisches Sound-Durcheinander ausartet, das geeignet ist, jenes Monster schnell wieder zu verschrecken, sollte es denn jemals mal auftauchen.

Die eingangs erwähnte Erwartung von mittelalterlichem Akustik-Folk brechen Hen Ogledd übrigens. Statt handgemachter Akustikmusik arbeiten sie mit elektronischen Computersounds, selbst der Gesang klingt meist monoton-roboterartig.

Mal ist das Ergebnis überzeugender, wie im psychedelischen, fast neun Minuten langen „Feral“, mal geht es nach hinten los, wie „Time Party“, das wie eine billige 90er-Jahre-Techno-Nummer klingt.

Tut man den Musikern mit diesem Urteil recht? Vermutlich kaum, dürfte es doch kaum ihre Absicht gewesen sein, ihren Sound hörbarer zu trimmen. Für die Musiker mag es befreiend gewesen sein, einmal mehr alle Harmoniegesetze zu durchbrechen – als Hörer wünscht man sich, sie hätten sie öfter beachtet.

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