Als Fotografin erhält man bei einem Konzert von Kamasi Washington eher ungewöhnliche Anweisungen. Statt der üblichen „ersten drei ohne Blitz“, darf man die erste Viertelstunde knipsen; denn drei Songs von Washington sind gerne mal so lang, wie komplette Alben anderer Künstler.

Umso ungewöhnlicher, dass die meisten Nummern auf „Becoming“ sich irgendwo um die zweieinhalb Minuten einpendeln. Im Kontext dann aber auch wieder sinnhaft, denn Kamasi Washington liefert hier im wahrsten Sinne des Wortes hauptsächlich Hintergrundmusik. Und zwar zur Michelle-Obama-Dokumentation „Becoming“.

Das erklärt, warum Kamasi mehr als jemals zuvor mit dem Pop flirtet und sich statt furioser Improvisationsspektakel eher spärlichen Arrangements und ungewohnt eingängigen Melodien hingibt.

Nach dem entspannt vor sich hinflowenden Titeltrack, rückt Washington erst mit „Take In The Story“ so richtig in den Vordergrund und drückt dem Werk seinen unverkennbaren Stempel auf. Völlig unaufgeregt lässt er sein Saxofon auf einem feinen Klangteppich aus Streichern eine melancholisch-schöne Melodie singen, die beweist, dass es Instrumentalmusik gibt, die Gesang nicht vermissen lässt.

Egal ob Kamasi Washington wie in „Southside V 1“ sein Saxofon über schukelnden Soul mit Bläsereinwürfen tanzen lässt, oder wie bei „The Rhythm Changes“ – in anderer Version bereits auf „The Epic“ erschienen – entschlossen Richtung Funk marschiert. Auch in der Kürze weiß er als Grenzgänger zwischen Moderne und Tradition mit seinem Jazz in allen Variationen zu überzeugen.

Und trotzdem – eingefleischten Liebhabern wird Kamasi Washington als Nebenrolle nicht genügen. Was den Bildern und der Geschichte des Films „Becoming“ perfekt auf den Leib geschneidert ist, ist für sich genommen im Vergleich zu Washingtons sonst ausufernden Werken, deren Hauptrolle in der Regel die Improvisation spielt, zu fad.

Gerade Stücke wie „Provocation“, das mit seiner Dramatik sofort in den Bann zieht, wecken den Wunsch nach einer musikalische Erkundungsreise der vorgestellten Themen, verstummen jedoch stattdessen nach nicht einmal drei Minuten. Dem Film sicher zuträglich, dem Fan leider weniger.

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