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Son Lux – Tomorrows II

Die neuen Leiden der jungen Son Lux gehen in die zweite Runde. Ryan Lott, Rafiq Bhatia und Ian Chang verstehen sich auf das Hohelied der Klagenden. Allein, in dieser Vollendung sind Son Lux bisher weder vergleichbar vielseitig noch derart konsequent aufgetreten.

„Tomorrows“ nennt sich das Werk, das auf drei Teile verteilt im Laufe der kommenden 12 Monate digital erscheinen wird. Im Sommer 2021 werden dann alle Werke auf Vinyl und CD gesammelt veröffentlicht.

Beim ersten, sehr kopflastigen Teil (“Tomorrows I”) schrieben wir: „Wenn sich das Scheitern allerding auf drei Alben auswalzt, wird es kein Zuckerschlecken“. Gescheitert und gefleht wird noch immer, dieses Mal jedoch mit einer Emotionalität, die unter die Haut fährt.

Wenn sogar ein Takt, wie im genialen „Live Another Live“, ins Mark trifft, schlagen Herzen in polyrhythmischen Beats höher, noch bevor Ryan Lott, der Son Lux vom Soloprojekt zum Trio erweitert hat, seine Stimme mit Melodien füllt, die auf diese Weise bisher nie so viel gewagt haben und lieber einen Haken als einen Pirouette zu viel schlugen.

Grandios auch der Opener „Warnings“, wo Lott bei Sufjan Stevens abschaut und zu einem reduzierten Klavier – das sensationell den Impressionismus in die Elektronik des 21. Jahrhunderts einflechtet – „I’m leaving you the morning my dear“ singt.

Zwei Songs später ist er mit „Prohpecy“ vom Impressionismus beim Gospel gelandet. Nicht minder zwingend, weil er nicht wieder aufhören wird, so leidenschaftlich zu entlieben.

Schon jetzt ist klar, dass der Mittelteil dieses Dreiteilers in seiner klagenden Erhabenheit die elektronische Litanei überhaupt erst definiert und sich dabei an Orten niederlässt, an denen lediglich James Blake, Thom Yorke und FKA Twigs schon einmal kurz vorbeigeschaut haben.

Und da wechselt die Szenerie noch zigfach ihre Plätze. Wie etwa beim fernöstlichen Bauernschach in „Apart“. Ein Zungenschnalzer aus Hackbrettern, ummantelnden Melodien und grazilen Beats, gefolgt von einer himmlischen Steigerung im Chorus.

Hätte der gequälte Künstler Vincent Spinette aus Joey Goebels Roman „Vincent“ ein elektronisches Album geschrieben, es ist nicht schwer, sich vorzustellen, dass dabei so etwas wie „Tomorrows II“ herausgekommen wäre.

Ein Album, das eine faszinierende Parallelwelt aufstößt, in die alle eingeladen wurden, aber nur die wenigsten einen Schlüssel finden werden. Umso schöner für die, die drin sind und sich an der wohl besten elektronischen Platte des Jahres erfreuen.

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