Son Lux vollenden ihre fulminante Trilogie, wie sie sie begonnen hatten – mit schwer greifbaren Songs, die mehr fragmentieren als symbolisieren. Die dem Hörer Willen, Offenheit und Geduld abverlangen.
Die in ihren Verschachtelungen dennoch jederzeit eine faszinierende Reinheit offenbaren, unabhängig davon, ob man Son Lux jemals nachvollziehen wird, oder mitten in der Erkundung stecken bleibt.
Nach den bereits schwer zu rezensierenden ersten beiden Teilen – das wehklagende und doch kopflastige „Tomorrows I“ und das emotionalere und etwas zugänglichere Tomorrows II – steckt der dritte Teil hier keinesfalls zurück, sondern legt eher noch eine Schippe drauf.
Woher soll man nach ein paar Durchläufen wissen, zu was dieses komplexe Album im Stande ist? Welches Potenzial die nicht direkt sperrigen, aber doch keinesfalls zugänglichen Songs womöglich entfalten und zu welch höherem Gesamtkunstwerk die Elementarteilchen drei zusammenhängender Werke fusionieren?
Wie lässt es sich vermeiden, jetzt etwas zu schreiben, das man später bereut? Wie lässt es sich vermeiden, entscheidende Zusammenhänge aus insgesamt 30 Songs zu überhören? Man kann sich als Rezensent hierüber den Kopf zerbrechen und Son Lux zum Teufel wünschen – oder sich kurzerhand geschlagen geben und einfach auf das Offensichtliche stürzen, auf das Unmittelbare, auf das Schöne:
Die regelrechte, musikalische Orgie im eröffnenden „Unbind“ etwa: Eine so gewagte wie grandiose, fünfminütige Kakophonie aus Streichern und einer im Kontext von Son Lux noch nie gehörten E-Gitarre. Nach einer eineinhalbminütigen Schichtung von Trip-Hop-Beat, Sample und Orchester triumphiert ein ekstatisches Gitarrensolo und zerlegt das Stück in dissonante Einzelteile.
Oder die perfekte Art-Pop Stimme von Gastsängerin Kadhja Bonet, die aus der Vergangenheit Zukunft werden lässt, und aus den gescheiterten „Plans We Made“ von „Tomorrows I“ neue “Plans We Make” werden.
Wie in „The Hour“ die Stunden in feinem Sand zerfließen, das digitale Orchester dabei alle zur Verfügung stehenden Töne auf einmal zu spielen scheint und damit den Freunden von Arnold Schönbergs Zwölftonmusik feuchte Augen bereiten dürfte.
Und das sind alles auch nach mehrmaligen Durchläufen lediglich erste Eindrücke. Erste Eckpfeiler einer nicht kartografierten Welt, in der mit „Come Recover“ ein schwebendes Geisterschiff von Song durchzieht, aus dem verwunschene Vocoder-Stimmen dringen, die den schmerzlichen Verlust von Daft Punk abfangen wollen.
Dabei gilt es doch als gesetzt, dass Son Lux in diesem Leben, und erst recht nicht nach dieser monumentalen Wahnsinns-Triologie, nach dem einen Pop-Hit ihrer Kollegen greifen werden. Dafür waren, sind und bleiben sie einfach zu arty. Und in ihrem Fall ist das abschlagslos gut so.