Obwohl bei Veröffentlichung überschaubare Absatzzahlen erzielend, bestellten The Velvet Underground mit “I`ll Be Your Mirror” von ihrer ersten Single “All Tomorrow’s Parties” im Jahr 1966 das Feld für alles, was seitdem unter dem Meta-Begriff Alternativ-Musik eingeordnet wurde.
Die Platte mit Andy Warhols phallischer Banane auf dem Cover, der als Produzent seine Muse Nico bei John Cale, Nico, Lou Reed, Sterling Morrison, Maureen Tucker am Mikrofon unterbrachte, feiert dato ihren 55. Geburtstag.
Die Gratulanten, die sich vor dem unsterblichen ersten Album “The Velvet Underground & Nico” verbeugen, sind von Michael Stipe bis Fontaines D.C. ein illustrer Kreis, der so unterschiedlich ist, wie dessen Protagonisten sonst musikalisch in Erscheinung treten.
Der REM-Sänger folgt mit „Sunday Morning“ weitestgehend der Vorlage, auch Matt Berninger scheppert „I’m Waiting For My Man“ in den Fußstapfen der Band, rotzt Kurt Vile mit viel Hall „Run Run Run“ aus den Saiten und machen Andrew Bird & Lucius „Venus In Furs“ zu jener hypnotischen Spirale, die mit ihren dissonanten Violinen und Chorgesang der Intensität des Originals nicht nachsteht.
Die jüngere Generation hat dann doch andere Vorstellungen vom Velvet-Underground-Erbe, verwandeln Sharon Van Etten und Angel Olsen „Femme Fatal“ in schleifenden Slowcore-Pop, verpasst King Princess „There She Goes Again“ eine Riot-Girl-Attitüde und holt Courtney Barnett den Titelsong mit schrägen LoFi aus seiner formalen Strenge.
Das oft gecoverte „All Tomorrows Parties“- präsent die grimmige Wucht der Version von Nick Cave und seinen Bad Seeds – erfährt durch St. Vincent und Thomas Bartlett eine Wandlung zur minimalistischen Piano-Performance, in der die Ursprungsform nur noch schemenhaft zu erkennen ist.
Eine wahre Spielwiese ist für Thurston Moore und Bobbie Gillespie „Heroin“, die sich hier in aller Ausführlichkeit dem Feedback widmen, Iggy Pop und Matt Sweeney lassen „European Sun“ klingen, als hätten sie die ganze Nacht Stooges-Platten gehört und der Godfather des Punk sich wie dereinst dazu vor lauter Begeisterung in Glasscherben gewälzt.
In Zeitlosigkeit konserviert, erfährt „I’ll Be Your Mirror“ mit diesem Tribute einen neuen Energieschub. Wer das Velvet-Underground-Debüt noch nicht besitzt: ein Sammler aus Harlem ist gewillt, seine 900 Originalpressungen zu veräußern. Allerdings nur im Paket an solvente Käufer.