Das vierte Album in vier Jahren. Idles bleiben ihrer hohen Schlagzahl treu und öffnen im zweiten Anlauf mit Hip-Hop-Produzent Kenny Beats ihren Sound. Dabei entstehen allerdings weniger generische Songs und ein in sich ungewohnt disparates Album.
Wo das durchschlagende Hit-Album „Joy As An Act Of Resistance“ noch vorwiegend die eigenen Schrammen thematisierte und dabei energetisch durch die neue Strahlkraft des Post-Punk polterte, lieferte der vergangenes Jahr erschienene Nachfolger „Ultra Mono“ auch die passenden Parolen.
Vom Klassenkampf und Sozialkommentar sind Idles mit „Crawler“ jetzt wieder bei sich selbst angekommen. Giftmischer Joe Talbot reflektiert sein eigenes Trauma, die eigene Sucht und Genesung und ist irgendwie von Autounfällen gezeichnet, die sich wie ein roter Faden durch die Platte ziehen.
Dabei kommt er zunehmend subtiler um die Ecke und seltener über bloße, kratzbürstige Wut. Seine Mitstreiter versuchen, diesem Ansatz mit Vielfältigkeit Rechnung zu tragen und spielen verzerrten Glam-Rock in „The Wheel“, Grindcore in „Wizz“ oder verstörende, pulverisierende Bass- und Schlagzeug-Grooves in „The New Sensation“.
Am Überraschendsten sind womöglich die für Idles-Verhältnisse regelrecht leisetretenden „Stockholm Syndrome“ und „Progress“, die Körper und Geist auf eine Weise beruhigen, wie das nur wenige Idles-Songs zuvor getan haben.
Vor diesem Hintergrund gibt es auf „Crawler“ mehr zu entdecken als jemals zuvor. Um das Gehörte prompt auswendig zu kennen, taugt wiederum kein einziger der Songs. Die Graffiti-Lines springen nicht länger von selbst an die Wand.
Am ehesten bleibt noch „Life is beautiful“ aus „The End“ im Gedächtnis, womit Talbot den russischen Revolutionär Trotzki rezitiert, der diese Zeile in sein Tagebuch notierte, im Bewusstsein, dass Stalins Männer jeden Moment kommen würden, um ihn umzubringen.
In „The New Sensation“ fordert er wiederum den Hörer zu „shake your tiny tushy“ auf, in “MTT 420 RR” vergleicht er einen verunglückten Motorradfahrer mit einem „Jelly-Roll“-Dessert und in „Wizz“ brüllt er die Textnachrichten seines ehemaligen Drogendealers.
Man spürt sofort: Um der musikalischen wie lyrischen Spanne des Albums Herr zu werden, braucht es seine Zeit. Und ob man das nun will oder nicht, so unmittelbar wie auf „Joy As An Act Of Resistance“ funktionieren Idles 2021 nicht mehr.