Es grenzt an ein Oxymoron, dass die Lumineers ihre neue Platte „Brightside“ nennen. Denn so reduziert und introvertiert wie auf ihrem vierten Studioalbum hat sich die Folk-Rock-Band, die mit ihrem Debüt vor zehn Jahren dem Americana auch abseits der USA zu einer Reinkarnation mit Coolnessfaktor verhalf, bislang noch nie gezeigt.

Ob es daran liegt, dass das ursprüngliche Quintett auf ein Duo zusammengeschrumpft ist? Denn zwar erhalten Gründer Wesley Schultz und Jeremiah Fraites in ihrem musikalischen Universum immer noch Unterstützung von Langzeit-Weggefährten wie Simone Felice oder David Baron und einigen Live-Musikern, präsentieren sich aber mittlerweile als alleinige Gesichter der Lumineers.

Dabei liebte man die Lumineers doch eigentlich wegen ihrer mitreißenden Roadtrip-Momente, zu denen man genüsslich das Fenster runterkurbeln und der untergehenden Sonne zuschauen konnte, während sich Schellenkranz und Background-Chöre Schicht für Schicht zu einem mitreißenden Sog überlagern und man gar nicht anders konnte, als die Träne im Knopfloch zu spüren, die bei der bittersüßen Portion Melancholie stets gern gesehener Gast ist.

Das so charakteristische, pointierte Fußstampfen, das so mancher Basedrum ernsthafte Konkurrenz machte und in Kombination mit dem guten alten Schellenkranz bei Hits wie „Sleep On The Floor“, „Ho Hey“ oder „Ophelia“ vielleicht nicht die Hauptrolle, aber mindestens den Oscar als beste Nebendarstellerin verdient hat, sucht man auf „Brightside“ vergebens.

Stattdessen liefern die Lumineers neun Midtempo-Tracks, die vielmehr an eine simple Singer/Songwriter-Platte erinnern, als an ein emotionsgeladenes Folk-Feuerwerk. Denn genauso gemütlich wie der Titeltrack über die Landstraße tuckert, wollen auch die anderen Songs nicht wirklich Fahrt aufnehmen.

Die Instrumentierung gestaltet sich dabei meist simpel: Mal wie bei „Radio AM“ mit einer Gitarre im Kern, mal mit einem Klavier als Basis, wie in dem melancholischen „Rollercoaster“, das seinem Namen absolut keine Ehre macht, sondern vielmehr Assoziationen zu einem Altstadt-Express in Schrittgeschwindigkeit weckt.

„Birthday“ lässt als einer der wenigen Songs auf „Brightside“ etwas den Charme der vergangenen Zeiten aufleben, obwohl sich der abrupte Tonartwechsel nach dem angetäuschten Ausfaden inklusive Eigenapplauses doch sehr nach Holzhammer auf den Kopf anfühlt.

Jetzt sollte man diese ganze Meckerei natürlich nicht in den falschen Hals kriegen, denn „Brightside“ ist immer noch mindestens ein gutes Singer/Songwriter-Album. Wenn Schultz beispielsweise in „Reprise“ zu dramatischen Klavierakkorden die Reibeisenstimme auspackt, möchte man ihm gerne auf seiner Reise Richtung Licht folgen.

Nur glänzten The Lumineers eben in der Vergangenheit schon mal mit mehr Überzeugungskraft.

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