MusikBlog - Entdecke neue Musik

Das ist logistisch und organisatorisch unheimlich anstrengend – caroline im Interview

Aus Manchester stammend, mittlerweile in London beheimatet, präsentieren sich caroline auf ihrem selbstbetitelten Debütalbum völlig druckbefreit und ausschließlich ihren eigenen Ideen und Visionen folgend. Mit ihrer exklusiven Sound-Mixtur aus Midwestern Emo, Appalachen-Folk und minimalistischen Klassik-Ansätzen schwimmt die achtköpfige Band gegen den Branchenstrom. Viel wichtiger als hymnenhafte Refrains und Melodien für die Massen sind den Briten nachhaltige Stimmungen und eine ganz besondere, sich auf Albumlänge ausbreitende Atmosphäre. Kurz vor der Veröffentlichung des ersten Studioalbums trafen wir uns mit Band-Sprachrohr Jasper Llewellyn zum Interview und plauderten über strapazierte Geduld, das perfekte Miteinander und kreisförmige Vibes.

MusikBlog: Jasper, die Welt befindet sich gerade in einem Kampf mit einer alles zum Stillstand bringenden Pandemie. Welche Spuren hinterlassen diese Zeiten bei einer achtköpfigen Band wie caroline?

Jasper Llewellyn: Für uns als Band steht die Zeit erst einmal genauso still wie für alle anderen. Die letzten beiden Jahre waren definitiv nicht einfach. Wenn ich mir vor Augen führe, dass wir unser Album jetzt schon seit über einem Jahr im Kasten haben, dann ist das schon ziemlich krass und eine verdammt lange Zeit.

Musikblog: Demnach habt ihr das Album…

Jasper Llewellyn: …im Dezember 2020 aufgenommen und dann im Winter-Lockdown 2021 gemixt und fertiggestellt. Zu Beginn der Pandemie gab es noch viele positive Aspekte, wie beispielsweise das verstärkte Bündnis mit der Familie. Ich bin in der Zeit mit einer Freundin innerhalb von London umgezogen. Das war auch irgendwie schön. Wir hatten plötzlich unheimlich viel Zeit füreinander. Aber wenn es um die Band geht, dann waren die zwei vergangenen Jahre schon sehr hart.

MusikBlog: Was war die größte Herausforderung?

Jasper Llewellyn: Natürlich ist es schwer, eine achtköpfige Band unter Lockdown-Bedingungen in einen Aufnahme-Flow zu bringen. Das ist schon logistisch und organisatorisch unheimlich anstrengend. Aber wenn du mich fragst, dann war der spätere Mixing-Prozess die eigentliche Tortur.

MusikBlog: Was war so schlimm?

Jasper Llewellyn: Es war einfach ein nicht enden wollender Zoom-Prozess. Wir waren ja zwischen Januar und März komplett eingeschlossen. Wir mussten uns also überlegen, wie wir das Ganze am besten bewerkstelligt bekommen. Wir hockten also in London vor dem Zoom-Bildschirm, während uns unser Mixer in Dublin vier bis fünfmal die Woche den halben Tag mit neuen Mix-Ergebnissen versorgte. Das war wirklich eine ziemlich anstrengende Zeit.

MusikBlog: Habt ihr während dieser Zeit je am großen Ganzen gezweifelt?

Jasper Llewellyn: Nein, dafür war der Wunsch, die Platte endlich fertigzustellen, einfach viel zu groß. Einige Songs auf dem Album sind schon einige Jahre alt. Wir wollten dieses erste große Band-Kapitel beenden, das war uns sehr wichtig. Am Ende geht es nach so einer langen Zeit auch darum, Dinge abzuschließen, damit man auch wieder Freiraum für Neues bekommt. Auf der anderen Seite darf man aber auch nicht vergessen, dass man unheimlich intensiv an diesem Projekt gearbeitet hat. Hätten wir das Album unter normalen Bedingungen aufgenommen, wäre es vielleicht nicht so gut geworden.

MusikBlog: Ihr habt einen sehr speziellen, sehr atmosphärischen Sound. Entsteht der einfach so, wenn ihr euch zum Musizieren trefft?

Jasper Llewellyn: Im Grunde genommen schon. Wir alle haben einen sehr offenen Hintergrund, was den Musikgeschmack betrifft. Uns eint das Verlangen, eine besondere Atmosphäre zu kreieren. Da steckt sonst aber keinerlei Konzept dahinter. Wir sind generell sehr offen und unkompliziert aufgestellt. Es gibt Songs, da stehen die einen mehr im Vordergrund, und dann gibt es Songs, da spielen andere Bandmitglieder eine größere Rolle. Jeder bringt sich irgendwo ein, so wie es eben am besten für das große Ganze passt. Dieses unkomplizierte Miteinander zeichnet uns aus.

MusikBlog: Ich stell es mir dennoch schwer vor, acht verschiedene Persönlichkeiten auf einen Nenner zu bringen.

Jasper Llewellyn: Der Schlüssel ist das richtige Miteinander. Niemand bei uns fühlt sich ausgeschlossen. Jede Idee wird berücksichtigt. Es spielt keine Rolle, ob jemand mit einer folkigen Idee, oder etwas tanzbaren Sounds oder sphärischen Vibes an den Tisch kommt. Wir nehmen alles mit rein.

MusikBlog: Würdest du den Songwritingprozess als die aufregendste und spannendste Phase bezeichnen?

Jasper Llewellyn: Absolut. Wenn wir mit all den Ideen und Visionen jonglieren, dann ist das schon sehr aufregend. Ich liebe es einfach zu improvisieren. Das machen wir alle gern. Wenn da am Anfang nur eine zarte Idee ist und man dann mit der Zeit sieht, wie sich diese Idee zu etwas Großem entwickelt, dann ist das schon eine ziemlich faszinierende Erfahrung.

MusikBlog: Ihr seid bekannt für sehr spezielle Live-Shows. Ihr spielt gerne in einer Kreisformation, die es den Zuschauern erlaubt, sehr nah am Geschehen zu sein. Wie kommt’s?

Jasper Llewellyn: Ich würde sagen, dass sich das mit der Zeit so ergeben und verinnerlicht hat. Wir proben auch in einer Kreisformation. Live haben wir nicht immer die Möglichkeit dazu, weil es manchmal nicht genug Platz für alle gibt. Aber wenn es die Location erlaubt, dann gehen wir sehr gerne auf Tuchfühlung mit dem Publikum. In dieser Konstellation entsteht ein ganz besonderer Vibe.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

Facebook
Twitter

Schreibe einen Kommentar

Das könnte dir auch gefallen

Login

Erlaube Benachrichtigungen OK Nein, danke