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Das war ein totaler Schock für uns – Johnossi im Interview

Jahrzehntelang stand in den Rock-Gesetzbüchern geschrieben: Wer erfolgreich sein will, der muss mit der klassischen Band-Besetzung an den Start gehen. Das magische Viereck, bestehend aus Drums, Gitarre, Bass und Gesang war so prägend wie die Fünfer-Abwehrkette im Bundesliga-Abstiegskampf. Rock-Duos wie The Black Keys, The White Stripes, Royal Blood und Blood Red Shoes stießen irgendwann einen Wandel an, dem sich im Jahr 2004 auch die beiden Schweden John Engelbert und Oskar “Ossi” Bonde anschlossen. Mittlerweile sind die Skandinavier eine feste Größe im Business und feiern diese Woche die Veröffentlichung ihres siebten Studioalbums “Mad Gone Wild“. Wir trafen uns mit den beiden Johnossi-Köpfen zum Interview und sprachen über Langzeitfolgen, das Pendeln zwischen den Extremen und bedingungsloses Vertrauen.

MusikBlog: Die Zeiten sind düster. Überall wird gehofft, gebangt und geflucht. Euch soll Covid wohl auch erwischt haben. Stimmt das?

Oskar Bonde: Oh ja, das ist noch gar nicht so lange her. Wir haben uns irgendwie beide angesteckt. Wir lagen auch ziemlich flach. Das Problem ist ja auch, dass dich der Negativ-Befund nicht automatisch wieder zurück ins Leben katapultiert. Ich bin heute noch ziemlich angeschlagen. Diese Scheiße zieht sich wirklich in die Länge.

MusikBlog: Markiert das “Kranksein” für euch persönlich den Tiefpunkt seit Pandemiebeginn?

Oskar Bonde: Mental ist das schon ziemlich heftig. Aber die Band betrifft und bewegt uns ja auch auf einer sehr persönlichen Ebene. Dort haben wir die schlimmste Zeit hoffentlich hinter uns.

MusikBlog: Was war denn die schlimmste Zeit?

Oskar Bonde: Naja, man muss sich vorstellen, dass wir eine Woche, bevor plötzlich alles dicht gemacht wurde schon auf gepackten Tour-Koffern saßen. Die Shows waren gebucht, der Bus stand bereit und wir waren voller Vorfreude. Dann war auf einmal alles vorbei. Das war ein totaler Schock für uns. Von da an haben wir nur noch gewartet und Termine immer und immer wieder aufs Neue verschoben. Das war schlimm, wirklich schlimm. Ich meine, es ging der ganzen Welt miserabel. Aber für einen Musiker gibt es nichts Schlimmeres, als eine komplette Tour absagen zu müssen. Wir definieren uns schließlich als Live-Band.

John Engelbert: Auf der anderen Seite konnten wir natürlich die freie Zeit mit unseren Familien genießen. Das war natürlich auch schön.

MusikBlog: Jetzt habt ihr ein neues Studioalbum am Start, das den Titel “Mad Gone Wild” trägt. Hat sich all diese mentale Anstrengung auch auf den Produktionsprozess des neuen Albums ausgewirkt?

John Engelbert: Unterbewusst vielleicht schon. Es war einfach so, dass ich beim Schreiben der Texte gemerkt habe, dass da ein Zusammenhang entstand, der mich an unsere Comic-Kunstfigur “Roscoe” erinnerte, die damals auch Teil der “Mavericks”-Geschichte war. Das passte irgendwie alles ziemlich gut zusammen. Der ganze Wahnsinn, das Pendeln zwischen den Extremen, die Reue: Da war dann plötzlich eine Art Konzept vorhanden. Das fanden wir irgendwie cool. Das spätere Aufnehmen der Songs war dann aber ganz entspannt. Wir hatten ja pandemiebedingt keinen Druck, und wir hatten ein wirklich tolles Studio, in dem wir uns austoben konnten.

MusikBlog: Ein Studio, das keinem Unbekannten gehört.

John Engelbert: In der Tat, es war das Studio von Benny Andersson (Abba). Das liegt schön am Wasser, alles war ruhig und es fehlte uns an Nichts. Eine tolle Erfahrung.

MusikBlog: Musikalisch geht es drunter und drüber auf dem Album. Ruhige Momente wechseln sich ab mit verzerrtem Chaos. Zwischendurch sind da immer wieder großartige Melodien zu hören. Wie seid ihr soundtechnisch rangegangen?

John Engelbert: Mit Beginn des Konzeptgedankens haben wir natürlich auch eine bestimmte Form für das Ganze gesucht. Wenn man die Songs nur streamt, dann merkt man das natürlich nicht. Auf Platte oder CD aber gibt es zwischen den Songs keine Übergänge. Man weiß also nicht genau, ob ein Song gerade endet, oder ob ein neuer Song schon anfängt. Zwischen den Songs herrscht Chaos. Man lässt sich auf ein komplettes Klangbild ein, dass dann auch in sich noch viele Facetten bietet. Wir würden nie ein Album aufnehmen, auf dem sich zehn Punksongs befinden. Das sind nicht wir. Uns ist es wichtig, dass wir offen bleiben und uns musikalisch nicht einschränken.

MusikBlog: Ihr wart diesmal erneut zusammen mit Pelle Gunnerfeldt (The Hives, Viagra Boys, Refused) im Studio. War das nach der letzten Zusammenarbeit eine ganz bewusste Entscheidung?

Oskar Bonde: Pelle ist eine faszinierende Persönlichkeit. Wir kennen uns schon sehr lange. Mit ihm aber zu arbeiten, ist dann noch einmal etwas ganz anderes. Mit dem letzten Album haben wir uns eine erste Arbeitsbasis geschaffen. Diesmal sind wir noch einen Schritt weiter gegangen. Pelle ist unheimlich intelligent. Er steckt seine kompletten Gedanken in ein Projekt. Das macht ihn zu einem ganz besonderen Produzenten. Als wir die Songs fertig hatten, wussten wir, dass, wenn wir sie Pelle überlassen, er genau die richtigen Schlüsse ziehen wird. Und so ist es dann auch gekommen.

MusikBlog: Das klingt beinahe so, als würdest du von einem dritten Band-Mitglied reden.

Oskar Bonde: (lacht) Ja, zwischen uns herrscht wirklich großes Vertrauen.

MusikBlog: Wie sieht es mit euch aus? Ihr seid jetzt schon seit über 15 Jahren gemeinsam unterwegs. Wie würdet ihr eure Beziehung beschrieben?

Oskar Bonde: Am Anfang wollten wir einfach nur ein Album aufnehmen. Irgendwann wollten wir dann schauen, wie weit man in dieser Konstellation gehen kann. Mittlerweile ist die Band unser Leben. Wir sind die meiste Zeit im Jahr zusammen unterwegs. Das klappt nur, wenn man sich gegenseitig vertraut und ein Fundament hat, auf dem sich alle wohlfühlen. Wir sind ziemlich beste Freunde. Das waren wir zu Beginn des Ganzen, und das sind wir auch heute noch. Ich denke, dass man es auch nur so auf die Reihe bekommt.

John Engelbert: Unsere Freundschaft steht immer an erster Stelle. So halten wir es auch, wenn wir unsere Tour-Crew zusammenstellen. Niemand will mit jemandem unterwegs sein, den er nicht leiden kann. Wir sind eine große Familie, die sich unterstützt und gegenseitig inspiriert. Oskar und ich, wir ticken in vielen Bereichen gleich. Wenn es um Politik oder gesellschaftliche Themen geht, dann gibt es zwischen uns keine Differenzen. Das schweißt zusammen. Auf der anderen Seite haben wir musikalisch immer wieder neue Dinge, die wir mit dem anderen teilen. So ist eine permanente Entwicklung spürbar, die uns beiden, und natürlich auch der Band, sehr gut tut.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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