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Musik verbindet, bringt Menschen zusammen – Thirsty Eyes im Interview

Wer an Wien denkt, der hat die Bilder vom Prater, von leckerer Sacher-Torte und den Musikanten von Wanda vor Augen. Wien hat aber noch mehr zu bieten, zum Beispiel die Combo Thirsty Eyes, ein in punkto Innovation und musikalischem Freidenkertum nahezu einzigartigem Kollektiv, das die Melange aus Wüstenrock, Rockabilly, Folk, Pop und Indie mindestens genauso abfeiert wie Florian Silbereisen seine rote Glücksbringer-Unterziehhose. Zur Veröffentlichung ihres Debütalbums “A Certain Regard” trafen wir uns mit den beiden Band-Köpfen Samuel Ebner und Philipp Moosbrugger und plauderten über Kellerarbeiten, Eigenverantwortung und die Suche nach dem heiligen Live-Gral.

MusikBlog: Philipp, du bist von Hauptberuf Jazz-Kontrabassist und warst in der Vergangenheit sehr oft auch in Russland und in der Ukraine unterwegs. Wie geht es dir, wenn du dieser Tage den Fernseher anschaltest?

Philipp Moosbrugger: Mir fehlen da, ehrlich gesagt, die Worte. Ich habe jetzt fünf Jahre in einem Keller an einem Album gearbeitet, während andere fünf Jahre mit der Vorbereitung eines Kriegs verbracht haben. Ich sehe Panzer durch Städte fahren, in denen ich noch vor nicht allzu langer Zeit Konzerte gespielt habe. Da leben überall wunderbare Menschen, auf beiden Seiten wohlbemerkt. Ich kann nur stammeln, wenn ich an all die schrecklichen Bilder denke, die gerade die Runde machen. Es ist unheimlich traurig.

MusikBlog: Was kann Musik in so einer Zeit für einen Beitrag leisten?

Philipp Moosbrugger: Naja, ich habe mich schon öfters gefragt, ob die Veröffentlichung eines Albums gerade Sinn macht. Das scheint auf der einen Seite so unnötig. Aber andererseits ist es auch wichtig, dass die Leute ihren Halt und ihren Glauben an bessere Zeiten nicht verlieren. Musik verbindet, bringt Menschen zusammen und sorgt im Idealfall für gute Laune. Also ist es schon auch sehr wichtig, dass man weitermacht.

MusikBlog: Der Krieg macht uns aktuell sprachlos. Die Welt lebt aber schon seit über zwei Jahren mit einer Pandemie. Inwiefern haben die Umstände den Produktionsprozess des Albums beeinflusst?

Samuel Ebner: Letztlich mussten wir das Album zweimal verschieben. Eigentlich war das Ganze schon vor zwei Jahren fertig. Aber dann kamen nicht nur die Pandemie dazwischen, sondern es wurden auch ein paar produktionstechnische Änderungen vorgenommen.

Philipp Moosbrugger: Wir haben uns anfangs ein bisschen naiv hingestellt und gedacht, dass man mit ein paar coolen Songs und einem Produzenten mal eben schnell ins Studio huschen kann und dann läuft das alles schon irgendwie. Fakt ist aber, dass wir am Ende dann doch schon ganz klare Vorstellungen haben, wie wir klingen wollen. Das hat dann irgendwie nicht ganz so hingehauen. Schlussendlich haben wir das Album dann in meinem extra dafür eingerichteten Studio aufgenommen. Ich habe mir auch gedacht, eigentlich bin ich ja kein großer Rock-Fan. Aber wenn ich das dann schon mache, dann muss es am Ende auch richtig gut klingen.

MusikBlog: Ich höre jetzt eine ziemlich faszinierende Mixtur aus Wüstenrock, Rockabilly, Indie, Folk und leichten Pop-Akzenten.

Philipp Moosbrugger: Ich denke, dass ist das, was bei einer Zusammenarbeit von Samuel und mir herauskommen kann. Wir hätten aber auch ein akustisches Bluesalbum aufnehmen können. Eigentlich wäre unheimlich viel möglich gewesen.

MusikBlog: Wo holt ihr euch eure Inspiration her?

Samuel Ebner: Aus der Ruhe heraus. Bei mir laufen immer das Radio und der Fernseher gleichzeitig. Das beruhigt mich ungemein.

Philipp Moosbrugger: Bei mir sind es eher die falschen Erinnerungen. Das läuft so, dass ich mich beim Songwriting an irgendeinen Part von einem Song einer anderen Band erinnere und mich dann ganz freudig draufstürze. Dann merke ich meist, dass es doch ganz anders klang, als wie ich es eigentlich in Erinnerung hatte. Aber die Erinnerung öffnet dann wieder andere Türen. Das ist ein ziemlich kreativer Prozess.

MusikBlog: Das alles klingt nach einem späteren Live-Erlebnis der Extraklasse.

Samuel Ebner: Naja, live sind wir noch nicht ganz da angekommen, wo wir uns eigentlich sehen. Da klafft die Schere zwischen Anspruch und Realität doch noch ziemlich weit auseinander.

MusikBlog: Woran liegt’s?

Philipp Moosbrugger: Das ist ein komplexes Thema. Wir haben schon sehr viele Besetzungswechsel gehabt, da ist es grundsätzlich schon mal schwer, eine Einheit zu formen, bei der alle an einem Strang ziehen. Es war halt immer so, dass man das Gefühl hatte, sobald sich etwas festigt, kommt wieder etwas dazwischen. Letztens hatten wir einen Drummer, der sich nicht impfen lassen wollte. Dann kann man auch keine Konzerte spielen. Solche Dinge ziehen wir irgendwie magisch an, so dass wir am Ende dann immer als Duo dastehen. Jetzt haben wir wieder zwei neue Musiker mit an Bord, in der Hoffnung, dass es diesmal länger passt.

MusikBlog: Was zeichnet euch beide denn aus? Würdet ihr euch als mitunter schwierige Kollegen bezeichnen?

Samuel Ebner: Ja, man muss sich schon auch eingestehen, dass man vielleicht selbst auch nicht immer alles richtig gemacht hat. Da würden wir uns auch nie was vormachen. Wir sind schon sehr speziell. Aber wenn es passt, dann kann man auch wunderbar mit uns arbeiten.

Philipp Moosbrugger: Wir geben einfach nicht auf. Ich denke, das zeichnet uns beide irgendwie aus. Wir waren in den vergangenen Jahren schon oft in Situationen, in denen wir alles hinterfragt haben. Wir haben auch schon mal ein ganzes Jahr lang gar nichts gemacht, da saß ich dann allein mit dem ganzen Zeug in meinem Studio, während Samuel mit einer anderen Band unterwegs war. Am Ende kommen wir dann aber doch wieder zusammen, weil die Musik, die wir beide kreieren schon etwas Besonderes ist. Das wirft man dann auch nicht einfach so weg.

MusikBlog: Vielen Dank für das Interview.

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