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Placebo – Never Let Me Go

Welch schöne Vorstellung, wäre der Lauf der Dinge zu einem Zeitpunkt stehen geblieben, als Konflikte noch beherrschbar schienen und die Verwalter von Hunger und Armut zumindest so taten, die Bedrohung durch den Klimawandel.

Placebo scheinen mit ihrem neuen Album “Never Let Me Go” dieses Momentum der Weltgeschichte zumindest akustisch konserviert zu haben, „Try Better Next Time“ vom ersten Longplayer seit fast einer Dekade, klang vorab exakt nach dem Geist der Neunziger- und Nullerjahre, als ihr melancholie-befeuertes Indie-Pop-Rock-Konglomerat Gold und Platin kassierte.

War die Energie dieser Nummer eine unmissverständliche Ansage, dass Brian Molko und Stefan Olsdal in ihren Endvierzigern noch genügend Power im Tank haben, beschäftigt sich der Song damit, wie Profitgier unseren Planeten ausgebeutet hat, ein Thema, welches „Never Let Me Go“ insgesamt begleitet.

Dass sich die Band zuletzt rar machte, hatte mehrere Ursachen, primär, dass sie sich nach „Loud Like Love“ und der ständigen Repetition ihrer Hits und Hymnen auf der Tour zum 20-jährigem Jubiläum in ein Burnout gespielt hatten. Zum anderen bremste, nachdem der kreative Faden wieder aufgenommen war, die Pandemie samt ihrer Lockdowns die Arbeit aus.

Wenngleich die Protagonisten mit ihrer achten Ausgabe das bisherige Schaffen auf Distanz halten wollten, reihten sich die Auskopplungen „Beautiful James“ und „Surrounded By Spies“ bereits reibungslos in ihr Klanguniversum ein, bekommen die 13 neuen Tracks zwar ein elektronisches Update, gehen grundsätzlichen Veränderungen im Corporate Design aber aus dem Weg.

„Forever Chemicals“ zündet eingangs zunächst eine dissonante Nebelkerze, aus deren Dunst sich ein metallisches Stoner-Rock-Monster formt, das von Brian Molkos Gesang am Nasenring durch die Manege geführt wird, wird dem Sound hier etwas von dem eingetrichtert, was der Sänger unter dem rustikalen Begriff „Brutalität“ dort hinein haben wollte.

Der ist in Verbindung mit dem lipgloss-glitzernden Placebo-Universum dann doch eher relativ, aber tatsächlich schmerzen die „Hugz“, gibt es verbreitet fiese Feedbacks, hämmert der Bass gnadenlos eine Furche, die der „Sad White Reggea“ flutet, gibt sich hier Molkos nasale Stimme, der, siehe „Twin Demons“, noch immer jedem semi-inspirierten Gewummer eine Melodie verpassen kann, roh und brüchig.

Ansonsten viel Bewährtes auf hohem Niveau, dazu die sommerfrischen Streicher von „The Prodigal“ und die warme Klavierballade „This Is What You Wanted“. Mit „Chemtrails“ kommen die beiden konzeptionell an der Stelle vorbei, an der sie sich einst vor einer Londoner U-Bahn-Station zufällig über den Weg liefen.

So sehr, wie der an „Klimadepression“ leidende Mann am Mikrofon dato in seinen Lyrics nach einem Fluchtpunkt sucht, kann „Never Let Me Go“ keine Ich-Botschaft sein. Die Musik von Placebo behalten wir aber hier.

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