Zuletzt kam der Eindruck auf, Dawes aus Los Angeles würden musikalisch auf einer Stelle treten. Deutlich manifestierte sich das Gefühl mit dem 2020er Album „Good Luck With Whatever„, auf dem die gefälligen Folk-Rocker eben gefälligen Folk-Rock bedienen, den es in der Form an jeder Straßenecke in Nashville gibt.

Dass es auch anders geht, bewiesen Dawes bereits selbst in ihrer Vergangenheit: Angefangen als Post-Punk-Projekt durchlebten die Kalifornier Wandlungen mit mal rockigeren, mal elektronischen Elementen, stets gestützt von der Lust auf Neues und Aufregendes.

Schafft das mittlerweile achte Album „Misadventures Of Doomscroller“ da Abhilfe im immer gleichen Trott? Tatsächlich: Gleich in den ersten Sekunden verspricht ein äußerst nüchtern und fast nach Jazz klingendes Schlagzeug-Intro, dass hier einiges anders laufen wird.

Die darauffolgenden Riffs von „Someone Else’s Cafe“ schlagen in dieselbe Kerbe und liefern in einem ironischen wie genialen Schachzug ungeahnte Frische durch Zurückhaltung und reduzierte Intensität.

Sänger Taylor Goldsmith findet eine Gelassenheit in seiner Stimme, die sich weniger um eingängige Hooks kümmert und vielmehr im unaufgeregten Ton kleine Geschichten erzählen möchte. Einem weiteren Schlagzeug-Solo folgt ein überraschender Jazz-Funk-Einschub, der die zweite und ungleich langsamere wie sentimentalere Hälfte des Songs einleitet.

Finden Dawes hier zu ihrer proggigen Schokoladenseite? Die Dichte von komplexen Strukturen in ihren Songs, die deutlich länger als die radiotauglichen drei Minuten sind, weist auf den ersten Blick durchaus darauf hin.

Dennoch bleibt die Band eng an ihrem folkigen Country-Pop-Kern, den sie diesmal allerdings in diversen Facetten aufzeigen. Kleine Akustik-Songs und trockene Produktionen teilen sich die Bühne mit spacigen Balladen in Übergröße und mit viel Pathos.

Sogar überraschende Latin-Versätze schaffen es in die bunte Tüte und tragen ihren Teil dazu bei, „Misadventures Of Doomscroller“ zu einem faszinierenden Werk mit Wendungen und Schneid zu machen.

Dabei kommen Dawes nie in Versuchung, sich in Komplexitäten zu verzetteln und finden in den sechs Tracks jederzeit zu sich selbst zurück. Dass sie mit diesem Album überhaupt mal wieder zu sich zurückkehren, tut richtig gut.

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