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Interpol – The Other Side Of Make-Believe

Ob „The Other Side Of Make-Believe“ ohne die Edelproduzenten Flood (Mark Ellis) und Alan Moulder an den Reglern ein weiteres Interpol-Album wäre, mit dem die New Yorker in ihrer dritten Band-Dekade relevant wären, ohne sich auf signifikante Kurskorrekturen einzulassen?

Mit Unterstützung der Toningenieure hat das Trio seinen Sound auf der siebenten Platte zwar nicht auf den Kopf gestellt, mit dem Erfolgs-Duo im Rücken dennoch mehr musikalisches Neuland erschlossen als zuletzt auf „Marauder“, dass – wie andere Ausgaben vorher – souverän die eigene Asservatenkammer verwaltete.

Dabei reihen sich die 11 neuen Kapitel auf den ersten Durchgang weitestgehend kohärent in ihr Gesamtwerk ein, fällt aber schon im Opener „Toni“ eine Abweichung auf:

Es ranken sich hier der Gesang, der nicht nur hier fragiler wirkt, als bisher von Paul Banks gewohnt, sowie die Bassline wie Efeu um Pianotöne, ohne später in der Form zu beschleunigen, mit der die Nummer auf den bewährten, indie-rockenden Abgang früherer Aufnahmen zusteuert.

Diesem kommt „Renegade Hearts“ noch am nächsten, oft dominieren auf “The Other Side Of Make-Believe” jedoch zurückhaltende Arrangements und gedrosseltes Tempo.

So nimmt das dezent jazzige von „Something Changed“ den Titel beim Wort, hat es die schneidende Gitarre Daniel Kesslers in „Into The Night“ wenig eilig, bleibt genug Zeit, Zwischenräume, Bruchkanten und Dissonanzen zu erhören oder das verschleppte Spiel von Sam Fogarinos Schlagzeug zu entdecken.

Vor dem Hintergrund ungelöster globaler Krisen geht es textlich nicht einmal übermäßig dysphorisch zu, wird der darin vorkommenden Handlungsunfähigkeit und der Vereinzelung mit Melancholie begegnet, verbinden sich die Worte und die Musik von „Passenger“, „Greenwich“ und “Go Easy (Palermo)” zu verlässlichen Begleitern, an deren Schultern man sich in unsicheren Zeiten gern anlehnt.

„The Other Side Of Make-Believe“ hat den Charme ihres besungenen „Gran Hotel“, transportiert die Platte die Eleganz von dunklen Möbeln und die Schwermut wallender Vorhänge eines Ortes, den man nach dem Auschecken gern in Erinnerung behält.

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