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Daniel Avery – Ultra Truth

Wenn Daniel Avery nach zehn Jahren an der Speerspitze der Londoner Clubszene noch eine Auszeichnung brauchen sollte, wäre das hier die ideale: König der Songtitel. Denn sein sechstes Album “Ultra Truth” ist meisterhaft darin, die Stimmung ihrer Namen musikalisch so sinnvoll umzusetzen, dass exakt diese Paarung wie die einzig wahre erscheint.

Ein bedeutungsschwangeres Werk, das nahezu ohne Worte auskommt. Über die neuen 15 Tracks erzählt der im südenglischen Bournemouth geborene Musiker keine detaillierten Geschichten, das Stimmungsbild, das er erzeugt, ist aber mindestens so bewegend wie die schönsten Reime.

Und dabei wird vor allem eins deutlich: Viel Sonnenschein ist hier nicht gerade angesagt. Die “Ultra Truth”, die Avery hier verkauft, ist eben das: ziemlich schonungslos. Auf seiner Bandcamp-Seite erzählt der Musiker deswegen auch passenderweise dazu, nicht länger Eskapismus ins Zentrum seines Werks zu stellen. Stattdessen ginge es darum, direkt in die Dunkelheit zu schauen und nicht vor ihr wegzulaufen.

Bedrückende Worte für bedrückende Zeiten. Und auf die bereitet der Opener des neuen Albums auch erstmal vor sanften Instrumentals ruhig vor. Hüllenlose Worte schweben im Äther, die sagen: “Under the collapsing sky, close your eyes and look to the light”. Eine Anleitung, der man durchaus folgen sollte.

Denn gerade mit geschlossenen Augen entwickeln die Stücke einen Sog, der es in sich hat. Und nebenbei eben auch der Beweis für die eingangs erwähnte These mit den passenden Songtiteln.

“Wall Of Sleep” (featuring HAAi) etwa haut die Hörer*innen tatsächlich wie eine Wand des Schlafs aus den Socken – oder haucht ihnen diese, besser gesagt, körperlos und sanft direkt in die Ohrmuschel.

Bei “Spider” geht es hingegen unheilvoller und clubbiger zu, diese Spinne taumelt auf mehr als acht Beinen direkt ins Unterbewusstsein.

Der repetitive Beat von “Near Perfect” (featuring SHERELLE) ist tatsächlich fast perfekt für die hausgemachte Trance – und bei “Higher” gilt das Mantra: höher, schneller, weiter, lauter. Der größte House-Moment der Platte.

Gerade zum Ende hin widmet sich die Platte auch dem Zerfall, dem Zerstäuben der großen Beats und Synthesizer, der Destruktion von Samples. Und doch schafft Avery einen beachtlichen Spagat zwischen mitreißendem Grove und eiskalter Fragmentierung. Irgendwo zwischen Emotions-Overload und Schulterzucken.

Betritt dann der “Lone Swordsman” die Bühne, spürt man bei den extraterrestrialen Synthesizern, dass er wohl ein Laserschwert schwingt. Aber das sorgt in all der Dunkelheit wohl auch nur noch für ein leises Schmunzeln.

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