Die Hardcore-Punk-Band Dead Cross meldet sich fünf Jahre nach ihrem selbstbetitelten Debütalbum lautstark zurück und zeigt sich dabei gewohnt chaotisch und schonungslos. Dead Cross sind eine Supergroup, bestehend aus dem Sänger Mike Patton (Faith No More), dem Gitarristen Michael Crain (Retox), dem Bassisten Justin Pearson (Retox) und dem Schlagzeuger Dave Lombardo (Slayer, Fantômas).
Das Nachfolgealbum „II“ entstand dabei nicht zuletzt auch aus dem Schmerz und der Unsicherheit, bedingt durch Michael Crains Krebsdiagnose im Juli 2019. Mit der Ankündigung des neuen Albums sprach Mike Patton auch erstmals offen über den Kampf gegen seine psychischen Probleme und seine diagnostizierte Agoraphobie, die bereits im Herbst 2021 Absagen zahlreicher Shows seiner Bands Faith No More und Mr. Bungle zur Folge hatten.
All das macht die Platte zu einem selbsttherapeutischen und kathartischen Werk.
Nahezu romantisch schmeichelt sich der Opener „Love Without Love“ zuerst mit einem flüsternden Sänger und anschließend mit einem Liebesgeständnis der etwas morbideren Art in das Hörsturz gefährdete Ohr. „I love you so much that I could shit / hotter than a branding iron, colder than a witch’s tit“, kreischt Patton liebestrunken ins Mikro. Es wird Zeit, dass sie ihr Merchandise um Valentinskarten erweitern.
Das an den Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten gerichtete „Reign Of Error“ funktioniert am besten in Kombination mit dem zugehörigen animierten Videoclip. Zu sehen sind darin umherschwirrende Spermien, ein Hundertfüßer in liturgischen Gewändern hinter dem Supreme Court Gebäude und die Bandmitglieder selbst bei Arschgeburten.
Dead Cross wüten hier knapp zwei Minuten lang und grölen mit „Who is our problem? We are the problem“ nicht mit der Kirche ums Kreuz, sondern rammen ihre Botschaft ungespitzt in den Hoden. Zerfetzende Riffs und das treibende Schlagzeug erinnern nicht nur hier an Slayer, auch „Christian Missile Crisis“ lässt diesbezüglich aufhorchen.
Sänger Patton und Bassist Pearson wechseln sich auf „II“ ab und ergänzen sich hervorragend in den Gesangsparts, um die Tracks mit einer Bandbreite aus Flüstern, Schreien und Grölen ausgestalten zu können. Denn die melodischen Strophen im dramatischen und unheilvollen „Animal Espionage“ zeigen sich überraschend einprägsam.
Mit bratenden Gitarren, Gesang wie durch ein Megafon und ein viel zu bildhaftes „Time to wake up and puke“ mit imitiertem Kotzgeräusch infiltriert „Strong And Wrong“ das zermarterte Gehirn.
Psychedelisch und zunächst brutal bietet „Heart Reformer“ aber auch ruhigere Momente, die in diesem Kontrast nur für noch mehr elektrisierenden Druck sorgen. Die verwaschenen Passagen im Song werden auch mit dem Bildmaterial im veröffentlichten Videoclip nochmal verstärkt. Eine gewisse Nähe zu Fantômas lässt sich auch hier nicht abstreiten.
Dieses Crossover-Trash-Album stellt eingefleischte Fans zufrieden und bietet auch Neulingen einen Zugang zu einem eher sperrigen Genre. Damit ist „II“ kein ohrenbetäubender Einheitsschrei, sondern laut Bandmitglied Justin Pearson nur ein „Produkt der Welt, in der wir leben“. Be(un)ruhigend zu wissen.