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Gentleman – Mad World

Reggae versprüht immer diesen Gute-Laune-Vibe. Menschen, die noch nie näher hingehört haben, könnten glatt vermuten, dass dieses Genre ausschließlich unbedarfte Hymnen für laue Sommernächte produziert. Dem war aber noch nie so. Schließlich ist Bob Marleys „Get Up, Stand Up“, das dieses Jahr seinen 50. Geburtstag feierte, die Mutter aller Protestsongs.

So widmet sich auch Gentleman auf seinem neuen Album trotz freudiger Beats der prekären Weltsituation, wobei er den letzten Funken Hoffnung jedoch nie erlöschen lässt.

Man ahnt schon beim Titel „Mad World“, was inhaltlich auf der aktuellen Platte des Kölners los sein könnte. Welche zwei Worte fassen den aktuellen Zustand zwischen Krieg, Klimakrise, anhaltender Inflation und einer verbotenen Armbinde bei der Fußball-WM, die gefühlt mehr Wirbel auslöst, als hunderte tote Protestanten im Iran, besser zusammen? Umso trauriger, dass das Original dieses Songs auch bereits 40 Jahre auf dem Buckel hat.

Statt 80s-Charme gibt es in Gentlemans Version, deren getragener Piano-Anfang mit jeder Menge Hall tatsächlich kurz das viel gefeierte Cover von Gary Jules antäuscht, mit typischen Bläsern und charakteristischer Polyrhythmik jede Menge Reggae-Vibes, die dem Song überraschend gut zu Gesicht stehen.

Noch besinnlicher, man möchte fast sagen weihnachtlich, geht es in „Far From The Rage“ zu. Mit leichtem Fingerpicking als Intro, das von emotionalen Oh-oh-Backgroundchören unterstützt wird, klingt es tatsächlich, als hätte Gentleman seine Oase des Friedens abseits von Lärm, der Hektik der Stadt und der Wut gefunden.

Das Schöne ist, dass er die Hörer mit diesem Song ein paar Minuten dahin mitnimmt und man sich spätestens bei den Zeilen: „Supposed to answer 100 e-mails but I’m not“ denkt, dass man sich diesen indirekten Ratschlag doch ruhig auch mal zu Herzen nehmen könnte. Böse Zungen könnten hier Kitsch-Rufe laut werden lassen, aber hey – es ist bald Weihnachten. Da darf auch mal etwas dicker aufgetragen werden.

Und schließlich gibt es auf „Mad World“ auch genug lupenreine Reggae-Nummern, wenn auch – wie der Opener „Defining Love“ – weitestgehend verstärkt durch elektronische Beats, die zeigen, warum Gentleman bis heute eine der wenigen Europäer ist, die sich in diesem Genre einen ernstzunehmenden Namen gemacht haben.

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